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Panorama: Streit ums Wasser auf der Regeninsel

Südengland sitzt bald auf dem Trockenen – aber weder Versorger noch Verbraucher tun etwas dagegen

Engländer wissen schon lange, dass das mit dem ewigen Regen nicht stimmt. Londoner Gentlemen lassen den Schirm schon lange zu Hause. Nach zwei Wintern mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen ist das Lebensgefühl in Europas größter Stadt eher wie in Rom oder Madrid.

London und Südengland stehen vor dem Dürrenotstand. So hat sich Kameramann Richard Gibb, wie viele Kleingärtner, eine 130-Liter-Wassertonne gekauft und die Regenrinne umgeleitet. „Bisher ist nur Staub darin“, sagt er und blickt sorgenvoll erst in die leere Tonne und dann an den blauen Himmel. Seit April dürfen 13 Millionen Südengländer ihre Gärtchen nicht mehr mit dem Gartenschlauch wässern. Auch Fensterputzer und Autobesitzer, die mal den Wagen abspritzen wollen, sind Opfer des „Hosepipe Bans“.

Fein heraus ist dagegen der Labourabgeordnete und Multimillionär Geoffrey Robinson: Während Kleingärtner Gibb in die Tonne guckt, darf Robinson täglich 300 Tonnen Wasser aus seiner eigenen Grundwasserbohrung pumpen und den Rasen seines Parks in Goldalming nach Herzenslust sprengen. Die „Daily Mail“zeigte Bilder, auf denen das Wasser die Auffahrt des Anwesens hinunterströmt.

Wasserneid bringt die Volksseele zum Kochen. Dabei ist das Spritzverbot nur der erste Schritt in den Notfallplänen: Die Londoner Gesellschaft Thames Water, eine Tochter der deutschen RWE und zuständig für acht Millionen Wasserverbraucher, hat eine ministerielle „Drought Order“ beantragt. Damit kann sie „nicht notwendigen Wasserverbrauch“ untersagen. In den Nachbarregionen Kent und East Surrey ist es schon so weit – Fontänen werden abgestellt, Parks, Golf- und Tennisplätze verdorren. Kommerzielle Autowaschanlagen müssen schließen. Der nächste Schritt wäre die „Emergency Drought Order“: Dann müssen sich die Londoner aus Tankwagen und öffentlichen Wasserleitungen an den Straßenkreuzungen versorgen, wie einst nach den Bombenangriffen im Krieg.

Nur Robinson dürfte dann immer noch ungestört weitersprengen. Und eine Bürgerinitiative im exklusiven Kingston Hill, die 15 000 Euro für eine Privatbohrung zusammengelegt hat. In 40 Metern Tiefe will sie an das kostbare Nass für ihre Vorstadtrasenflächen herankommen.

Die Thames-Water-Homepage zeigt, wie die Niederschläge seit 18 Monaten konstant unter dem Durchschnitt blieben. Im Januar regnete es 20 statt 70 Millimeter, im April 31 statt 53. Fernsehteams demonstrierten den Wassermangel an den leer gepumpten Wasserreservoirs von Kent. Da es im Mai ständig regnete, sind die Reservoirs gefüllt. Aber der Grundwasserspiegel steht immer noch 67 Prozent unter dem Mittelwert – nichts habe sich geändert, warnen die Versorger.

Seit Jahren zehrt London, der wachsende Stadtgigant, von seinen Wasserreserven. Deshalb will Thames Water am Unterlauf der Themse eine Meerwasserentsalzungsanlage bauen. Das sei billiger, als Wasser über hunderte Meilen aus dem wasserreichen Lake Distrikt zu pumpen. Werde das Themsewasser bei Ebbe entnommen, sei der Salzgehalt so gering, dass der Energieverbrauch zu rechtfertigen sei. Doch Londons umweltbewusster Bürgermeister Ken Livingston will das verbieten und findet, die Firma solle erst einmal Wasserzähler in den Haushalten installieren, die es bisher kaum gibt. Ein Vollbad am Morgen gilt bei vielen Engländern als tägliches Muss. Ein Drittel vom kostbaren Nass versickert zudem durch die löchrigen Röhren des Versorgers in den Boden. Thames Water macht das überalterte viktorianische System, die Vernachlässigung der Infrastruktur in den 80ern und auch mal die deutschen Bomben im Zweiten Weltkrieg für den Zustand verantwortlich.

Für Londoner, die im Schnitt 350 Euro im Jahr für Wasser zahlen, sind das faule Ausreden. Deshalb denken sie gar nicht ans Wassersparen: Im Sommer wird es regnen. Oder die Tanker kommen.

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