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Panorama: Stürmische Zeiten

Die Raumsonde Genesis stürzt ab, „Frances“ verwüstet Cape Canaveral – die Nasa hat eine Pechsträhne

Der Champagner war schon kalt gestellt. Doch statt einer Bilderbuchlandung mussten die Experten der US-Weltraumbehörde Nasa am vergangenen Mittwoch den Absturz ihrer Weltraumsonde Genesis mitansehen. Das Bangen ist seitdem groß. Ist die wertvolle Fracht verloren? Es handelt sich um etwa 0,2 Milligramm reinsten Sonnenstaub, den die Sonde auf einem dreijährigen Flug über mehr als 30 Millionen Kilometer eingefangen hatte. Durch die kosmischen Partikel erhoffte man sich Auskünfte über den Ursprung unseres Sonnensystems.

Am Freitag sah es dann so aus, als ob aus „Genesis“ doch noch Sonnenatome geborgen werden können. „Wir sollten in der Lage sein, viele, wenn nicht alle unserer wissenschaftlichen Ziele zu erreichen“, sagte am Freitag der Physiker Roger Wiens vom Nationallabor Los Alamos zum Stand der Bergungsarbeiten. „Es ist ganz überraschend, wie wenig Schaden entstanden ist“, hatte zuvor schon Nasa-Direktor Roy Haggard verkündet. Eine erstaunliche Aussage für jeden, der vor Ort oder im Fernsehen erlebt hatte, mit welcher Kraft die scheibenförmige Kapsel auf dem Wüstenboden bei Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah aufschlug.

Die Geschwindigkeit betrug etwa 300 Stundenkilometer, nachdem die Fallschirme versagt hatten. Selbst wenn die „Bremse“ funktioniert und der 210 Kilogramm schweren Sonde zu einer sanften Ankunft mit 20 Stundenkilometern verholfen hätte, wäre dies der Nasa immer noch zu riskant gewesen. Deshalb hatte sie zwei Stuntmen engagiert, die die Kapsel von Hubschraubern aus in der Luft einfangen sollten. Glück im Unglück war, dass die Kapsel das vorgesehene Zielgebiet auf dem Übungsgelände der US-Luftwaffe traf und in weichen Sand fiel. „Sie ist nicht zerschellt und wir haben nicht alles verloren“, sagte Nasa–Direktor Andrew Dantzler. Es werde aber dauern, bevor klar sei, in welchem Zustand sich das Material und die Instrumente im Innern der Kapsel befinden.

Genesis-Experte David Lindstrom hofft jedoch, dass die winzigen Sonnenwindpartikel tief in den fünf Kollektoren sitzen und Verschmutzungen von der Oberfläche entfernt werden können. „Wir sind optimistisch, dass wir wenigstens etwas Material rausbekommen haben.“ Andere Experten hatten zuvor zu bedenken gegen, dass auch wenn die Scheiben noch intakt sein sollten, doch die Gefahr bestehe, dass die Sonnenwind-Partikel durch irdisches Material verunreinigt seien.

Die Kapsel wurde zur Untersuchung in ein Labor auf dem nahe gelegenen US-Stützpunkt Dugway Proving Ground gebracht. Der innere Behälter kam in einen Reinraum in der Militärbasis. Mit Pinzetten klaubten Nasa-Mitarbeiter Dreck aus dem Kanister. Weitere Untersuchungen in Houston (Texas) im NASA-Space-Center dauern an. Die Nasa kündigte eine Untersuchungskommission an, die das Missgeschick aufklären soll. Drei Jahre lang war ja bei der 260 Millionen Dollar (214 Millionen Euro) teuren Weltraum-Mission alles gut gegangen. Unklar ist, ob ein Hardware- oder Software-Problem für den Fehlschlag verantwortlich war. Möglicherweise haben die Batterien versagt, die die Auslöser der Fallschirme zünden sollten.

Für die Nasa ist der Absturz Teil einer langen Pechsträhne. Vor fünf Jahren etwa verglühte der „Mars Climate Orbiter“ in der Marsatmosphäre, weil bei der Programmierung Maßeinheiten verwechselt worden waren. Erst vor wenigen Tagen war Cape Canaveral von „Frances“ heimgesucht worden. Der Wirbelsturm hatte das „Kennedy Space Center“ verwüstet und riesige Löcher in die Montagehalle für Space Shuttles gerissen. Die Flotte ist seit dem Absturz der Raumfähre „Columbia" im Februar 2003 außer Betrieb. Jetzt musste Nasa-Chef Sean O’Keefe zudem vor dem Senatskomitee einräumen, dass die Wiederaufnahme des bemannten Raumflugs über 2,2 Milliarden Dollar kosten könnte – doppelt so viel, wie beantragt. Das größte Kopfzerbrechen dürfte der Nasa allerdings eine weitere Sonde machen, die mit Partikeln vom Kometen „Wild 2“ auf dem Weg zurück zur Erde ist. Die „Stardust“-Sonde soll Anfang 2006 landen – wie die Genesis-Kapsel am Fallschirm. Und sie ist mit einem ähnlichen Landemechanismus ausgestattet.

Paul Janositz

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