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Panorama: Suche in meterdickem Schlamm

In Befürchtung neuer Regenfälle haben Rettungskräfte im Norden Algeriens die Suche nach Vermissten in meterhohen Schlamm-Massen fortgesetzt. Nach offiziellen Angaben der algerischen Behörden wurden bislang 579 Leichen geborgen.

In Befürchtung neuer Regenfälle haben Rettungskräfte im Norden Algeriens die Suche nach Vermissten in meterhohen Schlamm-Massen fortgesetzt. Nach offiziellen Angaben der algerischen Behörden wurden bislang 579 Leichen geborgen. Die meisten Opfer wurden bei den Unwettern am vergangenen Freitag und Samstag von den schlammigen Fluten fortgerissen und ertranken darin. Die algerische Presse spricht von 1000 Toten. "Wer weiß, wie viele Menschen wir noch in den im Schlamm begrabenen Autos finden werden", sagte ein Helfer in Algier. Die Opfer liegen in städtischen Leichenhallen. Viele sind verstümmelt oder bereits am Verwesen, was ihre Identifizierung erschwert.

Innenminister Nourredine Yazid Zerhouni erklärte im staatlichen Rundfunk, es gebe keine Hoffnung mehr auf Überlebende unter den Schlammmassen. Es sei ein Wunder gewesen, dass am Montag noch drei Menschen lebend geborgen worden seien. Nunmehr werde schweres Gerät bei den Aufräumarbeiten eingesetzt.

Doch das ist nach Darstellung der Rettungsdienste kaum vorhanden. Es fehle an allem, die Ausrüstung sei völlig unzureichend, klagte ein Helfer. Vielfach stünden nur kleine Schaufeln zur Verfügung, um nach Vermissten zu graben. "In den Armenvierteln an den Berghängen graben die Bewohner mit bloßen Händen im Schlamm, um Angehörige zu finden", sagte ein Feuerwehrmann. Die Bergung aller Leichen dürfte noch mehrere Tage in Anspruch nehmen.

In der Bevölkerung wächst die Wut auf die Behörden, die der Katastrophe nicht Herr werden. "Die Armee hat nicht mal Hubschrauber geschickt, um die Menschen zu retten, die sich auf die Dächer geflüchtet haben", sagt der 53-jährige Rachid. "Aber wenn es darum geht, eine Demonstration mit Tränengas aufzulösen, sind sie da." Als Präsident Abdelaziz Bouteflika am Montagabend erstmals das Katastrophengebiet besuchte, wurde er von einer aufgebrachten Menge beschimpft.

Mindestens 25 000 Menschen wurden Schätzungen zufolge durch die schwersten Unwetter seit Jahrzehnten obdachlos, hauptsächlich in der Hauptstadt Algier und dort in den besonders stark betroffenen Armenvierteln. Die Europäische Kommission hat inzwischen knapp 759 000 Euro (1,5 Millionen Mark) als Soforthilfe bereitgestellt. Das Geld soll für Notunterkünfte, Kleidung, Trinkwasser und medizinische Hilfe verwendet werden.

Das Deutsche Rote Kreuz wollte am Mittwoch einen Hilfsgüterflug in die überfluteten Regionen des nordafrikanischen Landes starten. Die Maschine sollte direkt aus Ostende in Belgien nach Algier fliegen. An Bord sind 12 000 Decken für die Menschen, die bei den Fluten obdachlos geworden sind. Die Hilfsgüterlieferung im Wert von 200 000 Mark (10 2000 Euro) werde finanziell vom Auswärtigen Amt unterstützt.

"Was wir wirklich brauchen" sagt der 25-jährige Djamal, "sind keine Zelte und keine Medikamente, sondern Ausreisevisa."

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