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Suche nach Überlebenden: Erste Bergungstrupps geben auf

Zehn Tage nach dem Erdbeben sinken die Chancen, noch Überlebende aus den Trümmern zu bergen. Haitis Regierung plant, Hunderttausende Opfer umzusiedeln.

Die Hoffnung der Retter stirbt: Ein Teil der Kräfte reduziert seine Aktivitäten, noch Überlebende in den Trümmern von Haiti zu finden. Erste Suchmannschaften stellen ihre Arbeit ein. Ein Team aus Florida zog sich zurück, ebenso Berichten zufolge Bergungsexperten aus Belgien, Luxemburg und Großbritannien. Helfer des französischen Internationalen Rettungskomitees (Cosi) begaben sich in die benachbarte Dominikanische Republik, nachdem sie von bewaffneten Männern angegriffen worden waren. "Solange es eine Chance gibt, Menschen zu retten, werden wir sie nutzen", sagte UN-Nothilfekoordinator John Holmes in New York. Insgesamt seien bisher mehr als 120 Überlebende gerettet. Mindestens 75.000 Menschen kamen bei dem Beben ums Leben.

Die Lage der Überlebenden ist nach wie vor dramatisch. Insbesondere die medizinische Hilfe gestaltet sich noch immer schwierig. Die Krankenhäuser sind völlig überfüllt, Menschen wurden teilweise nur mit lokaler Betäubung operiert, da Narkosemittel fehlten. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, es gebe so viele Patienten, dass viele erst in zehn bis zwölf Tagen behandelt werden könnten. Einige Opfer seien bereits an Blutvergiftungen gestorben, weil ihre Wunden nicht desinfiziert worden seien.

In Port-au-Prince droht die Lage außer Kontrolle zu geraten, weil Hunderttausende Menschen nach dem verheerenden Erdstoß von vergangener Woche auf der Straße leben. Zurzeit leben nach Angaben International Organisation for Migration (IOM) mindestens 500.000 Menschen in 447 improvisierten Lagern in der haitianischen Hauptstadt. Hilfe kommt nur schleppend an. Die Menschen leiden außerdem unter den immer schlechter werdenden hygienischen Verhältnissen.

Haitis Regierung plant deshalb die Umsiedlung von etwa 400.000 Menschen, die durch das Erdbeben vor eineinhalb Wochen ihr Obdach in Port-au-Prince verloren haben. Innenminister Paul Antoine Bien-Aime kündigte an, nördlich der teils verwüsteten Hauptstadt neue Ortschaften zu erreichten. Zunächst sollten 100.000 Menschen in Zeltlager kommen, in denen Platz für jeweils etwa 10.000 Obdachlose sei. Er gab keinen Zeitrahmen an, sagte jedoch nach Angaben des britischen Fernsehsenders BBC, es seien bereits Busse unterwegs, die Erdbebenopfer in den Norden und Süden des Landes fahren sollten.

Besonders bedrohlich ist die Lage der Kinder. Die UN-Kinderhilfsorganisation Unicef richtet in der haitianischen Hauptstadt Port- au-Prince drei Schutzzentren für zunächst 900 Kinder ohne Eltern und Angehörige ein. "Wir gehen davon aus, dass Tausende Kinder im Katastrophengebiet auf sich gestellt sind", sagte der Sprecher der deutschen Sektion des Kinderhilfswerks, Rudi Tarneden.

Unicef-Mitarbeiter gehen zurzeit die Krankenhäuser ab und registrieren die dort aufgenommenen Kinder. Alle Namen geben sie in eine Datenbank ein. Anhand dieser Angaben sollen Angehörige ermittelt werden. Außerdem richtet Unicef sichere Zonen ein, in denen Eltern ihre Kleinkinder vorübergehend abgeben können. Viele obdachlos gewordene Eltern haben dann die Hände frei, um sich zunächst einmal um die dringendsten Dinge zu kümmern.

Auch die vielen Kinderheime und Kinderkrippen in dem Katastrophengebiet werden von Unicef aufgesucht, damit sie anschließend auf die Verteilliste des Welternährungsprogramms kommen können.

Die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung kam trotz des starken Nachbebens am Vortag weiter in Gang. Zehntausende Hungernde, Obdachlose und Verletzte warteten aber weiter auf Unterstützung.

Neben der derzeitigen Versorgungskrise könnte der drohende Zusammenbruch der haitianischen Landwirtschaft die Ernährungssituation weiter verschlimmern. Die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) warnte vor einer "Tragödie" auf dem Land. Die Landwirte benötigten vor Beginn der Saatperiode im März dringend Hilfen, sagte FAO-Chef Jacques Diouf. Sonst könne aus der Katastrophe in den vom Beben betroffenen Städten eine "ländliche Tragödie" werden.

Die Landwirtschaft spiele eine Schlüsselrolle beim Wiederaufbau des Karibikstaats, denn Tausende Menschen flohen bereits aus der weitgehend zerstörten Hauptstadt Port-au-Prince aufs Land. Steigende Lebensmittelpreise bedrohen bereits jetzt das Überleben der Menschen überall auf der Insel. Laut FAO leben 53 Prozent der Haitianer auf dem Land. Etwa 60 Prozent der nationalen Landwirtschaftserzeugnisse hängt von der Frühjahressaat ab.

Quelle: ZEIT ONLINE

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