zum Hauptinhalt
In Saus und Braus. Für viele junge Schwarze sind Glamour-Promis wie Khanyi Mbau Vorbilder. Sie leben ohne jede Hemmung oder Gewissensbisse am Kap ein Leben in Luxus.

© IMAGO

Südafrika und die "Generation born free": Die schwarze Paris Hilton interessiert sich nicht für Politik

Am Mittwoch wird in Südafrika gewählt. Eine Gruppe interessiert das wenig: junge, reiche Schwarze. Khanyi Mbau ist eine Idol der Generation "Born free", die die Apartheid nur noch vom Hörensagen kennt.

Auch Südafrika hat seine Paris Hilton. Am Kap heißt die junge Dame mit dem Hang zu teuren Autos, Glamourpartys und reichen Männern Khanyi Mbau. Der Boulevard liebt die 27-Jährige für ihre Auftritte in Miniröcken und Stöckelschuhen – und ihre saftigen Skandale. In gewisser Weise ist Mbau die Art Frau, vor der schwarze Eltern ihre Sprösslinge gewarnt haben dürften: ein Bimbo, der weniger durch harte Arbeit als eine sexy Garderobe glänzt – und dennoch mit ihrem frechen Auftreten für viele schwarze Aufsteiger zu einer Art Vorbild geworden ist.

Ablesen lässt sich dies an der hohen Zustimmung für Mbau nach einem TV-Interview. Offen hatte sie darin damit kokettiert, sich als Schwarze nicht im Geringsten für ihren luxuriösen Lebensstil zu schämen. Auf die Frage nach Gewissensbissen ließ sie wissen, wenig Mitleid gegenüber Schwarzen zu empfinden, die sich kein Brot leisten könnten: Sie liebe ihre Croissants – am besten mit Extralage Blue Cheese oben drauf. Zu ihrer Vorliebe für schwarze wie weiße Sugar Daddys schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite: „Was ist schlimm daran, mit solchen Leuten auszugehen? Zumindest kann ich teure Klamotten tragen und wilde Partys besuchen und, na ja, ihr wisst schon …“

In dem Land mit seinen 52 Millionen Einwohnern sind Mbau und ihre Generation der unter 30-Jährigen auch als die „Born free“ bekannt. Sie wurden um 1990 geboren, als das weltweit geächtete System der Rassentrennung in seinen letzten Zügen lag und stellen heute 40 Prozent der Bevölkerung. Den Todesstoß für das Apartheidsystem markiert der 27. April 1994, als Schwarz und Weiß zum ersten Mal in der Geschichte gemeinsam an die Wahlurnen gingen. Wer zehn Jahre davor aufwuchs, kennt noch die Apartheid und ihr System der Rassentrennung. Wer danach groß wurde, kennt, wie Mbau, Südafrika nur als ein vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC), Nelson Mandelas Partei, regiertes Land, und interessiert sich Umfragen zufolge statt für Freiheit und Menschenrechte weit mehr für die materiellen Dinge des Daseins. Die Werte, für die Mandela und seine Mitstreiter einst kämpften, sind für viele unter den „Born frees“ oft nur noch zweitrangig. Dementsprechend gering ist auch ihr Interesse an der Wahl am Mittwoch – ihrer ersten.

Mbau ist nur ein extremes Beispiel dafür. Unwirklich mutet ihr Auftreten auch deshalb an, weil sie in einem Land lebt, in dem noch immer rund die Hälfte der Schwarzen bitterarm sind und die Ungleichheit größer als fast überall sonst auf der Welt ist. Dennoch eifern viele junge Schwarze Pseudo-Stars nach, die wie Mbau ihren Bekanntheitsgrad Äußerlichkeiten verdankt, etwa der (längst aufgelösten) Ehe mit einem schwarzen Geschäftsmann, der ihr einen gelben Lamborghini schenkte – und sich selbst noch einen dazu. Allerdings wurde Mbau zeitweise an Dreistigkeit von dem Geschäftsmann Kenny Kunene übertrumpft, der bei einer Geburtstagsparty seine Gäste Sushi vom Körper eines dürftig bekleideten (weißen) Fotomodells lutschen ließ. Danach tobte am Kap lange Zeit eine Debatte über die neue, oft von krassem Materialismus getriebene schwarze Elite – und darüber, ob ihr fragwürdiges Verhalten nicht eine schallende Ohrfeige für die Millionen mittelloser Schwarzer sei. Sichtbar wird die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität vor allem im extravaganten Lebensstil vieler Parlamentarier des regierenden ANC, denen es heute offenbar nicht mehr um den Abbau der Armut, sondern allein um ihren persönlichen Reichtum zu gehen scheint.

Weder Mbau noch Kunene sind Ausnahmen: Unvergessen ist, wie Khulubuse Zuma, Neffe des Präsidenten Jacob Zuma, bei einer schwarzen Promi-Hochzeit in seinem neuen 250 000 Euro teuren Mercedes vorfuhr, während gleichzeitig 5000 schwarze Minenarbeiter auf seiner Aurora-Goldmine monatelang auf Lohn warteten. „Schwarze sind für uns eine sehr wichtige Klientel geworden“, sagt François von Eeden, der in einem Autosalon in Johannesburg arbeitet. „Sie haben zumeist kein Problem damit, ihren neuen Reichtum offen zur Schau zu stellen.“

In der schwarzen Intelligenzija gibt es Kritik am Materialismus des ANC

Südafrikas Präsident Jacob Zuma.
Südafrikas Präsident Jacob Zuma.

© dpa

Selbst der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Blade Nzimande, bestellte, als er unter Zuma Erziehungsminister wurde, sofort einen BMW für 70 000 Euro. Schließlich habe er als Minister Repräsentationspflichten, hieß es. Kein Wunder, dass sich der gleiche Minister vergangene Woche lautstark über die nach seiner Meinung völlig verfehlte Kritik an dem Ausbau der Privatresidenz von Präsident Zuma für fast 20 Millionen Euro empörte. Obwohl offiziell erwiesen ist, dass dabei massiv gewaltige Summen an Steuergeldern veruntreut wurden, die beim Armutsabbau fehlen, sagte Nzimande, dass es sich bei der Kritik an dem luxuriösen Ausbau der Privatwohnung Zumas um „Lügen von Weißen“ handele und gab damit dem Skandal auch noch eine rassische Dimension. Am Wahlsieg des ANC wird auch dies nichts ändern.

Inzwischen regt sich vor allem unter der noch sehr kleinen schwarzen Intelligenzija etwas Kritik an dem überbordenden Materialismus des ANC und großen Teilen der schwarzen Elite. „Südafrika ist vor allem deshalb in solch großen Nöten, weil es an einer doppelten Krankheit leidet: umgehende Befriedigung aller Wünsche und extremer Konsum“, diagnostiziert etwa der bekannte Schriftsteller Zakes Mda. Die neue schwarze Elite, so Mda, fühle sich zur Anhäufung von geradezu obszönem Reichtum berechtigt, weil dies jahrelang das Vorrecht der Weißen gewesen sei. Schlimmer noch: Die Art und Weise, wie man zu Geld gelange, sei den meisten Schwarzen völlig egal. Andere ärgern sich darüber, dass sich viele der Neureichen als bessere Menschen fühlten: „Der krude Materialismus, den wir schnell mit Schwarzen in Verbindung bringen, ist ein weltweites Phänomen und auch in der chinesischen oder brasilianischen Oberschicht nicht unbekannt“, sagt der Sozialforscher Lebogang Moekoena. „Die Ironie in Südafrika liegt aber darin, dass wir Schwarze gleichzeitig immer gerne unsere Ubuntu-Philosophie mit ihren Humanitätsidealen ins Feld führen, ohne am Ende viel davon wirklich zu leben.“

Bedrückend stimmt vor allem ein Blick auf die kleine schwarze Ober- und Mittelschicht in den 1960er Jahren, die, wie Mandela, ganz andere Wertvorstellungen hatte: Auf die Frage, was sozialen Status ausmache, antworteten damals fast alle Interviewten, dass nicht Reichtum, sondern Bildung die Grundlage von sozialem Status sei. Nur Gangster, so meinten viele, würden Reichtum höher bewerten.

Die Debatte darüber, was sozialen Status ausmacht, hat seitdem nie aufgehört. Der bekannte Autor Jonny Steinberg, der sich seit Jahren mit dem Wesen der südafrikanischen Gesellschaft beschäftigt, ist überzeugt davon, dass der Ausgang der Debatte wichtige Aufschlüsse über die Zukunft Südafrikas geben wird. Für ihn spiegelt die bewusste Zurschaustellung des Reichtums vor allem viele Selbstzweifel innerhalb der schwarzen Elite an der Zukunft wider – und erkläre auch deren Drang, die eigenen Bedürfnisse umgehend zu stillen. Dabei erinnert Steinberg daran, dass viele Weiße 50 Jahre zuvor ähnlich gehandelt hätten: Angesichts des hohen Wirtschaftswachstums in den 1960er Jahren wurden viele reich – und verloren darüber oft den Bezug zur Realität. Viele wollten es damals partout nicht wahrhaben, dass die Apartheid nicht ewig dauern könne – und bauten sich in Vororten, weitab des Elends der Townships, Luxusvillen. Die Mbaus, Kunenes oder Zumas, so glaubt Steinberg, hätten diesen Materialismus in extremer Weise kopiert. Die Gefahren liegen für den Autor auf der Hand: „Junges, festes Fleisch wird wabbelig – und roher Fisch verrottet“ schreibt Steinberg mit Blick auf das vom Fotomodell geknabberte Sushi und fragt: „Was bleibt dann noch übrig?“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false