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Der Fliegende. Der südafrikanische Nationaltorwart Senzo Meyiwa stand noch am Samstag im Tor seines Vereins Orlando Pirates in Soweto. Am Sonntag wurde er erschossen.

© dpa

Südafrikas Nationaltorhüter erschossen: Mord an Senzo Meyiwa schreckt Südafrika auf

Der Mord an dem beliebten Nationaltorhüter Senzo Meyiwa stößt in Südafrika eine Debatte über die Kriminalität an. Die gerade veröffentlichte Kriminalitätsstatistik verzeichnet 17 068 Morde in einem Jahr. Für die meisten Südafrikaner ist das normal.

Am Tag nach dem jüngsten Verbrechen, das Südafrika aufgeschreckt hat, war er wieder da, der Verdacht. Am Sonntagabend war der südafrikanische Nationaltorhüter Senzo Meyiwa bei einem Raubüberfall in der Nähe von Johannesburg erschossen worden. Am Montag musste die südafrikanische Polizeichefin Mangwashi Victoria Phiyega bei einer Pressekonferenz beteuern: „Es gibt überhaupt keine Sonderbehandlung.“
Phiyega musste sich verteidigen, weil es eher selten vorkommt, dass die südafrikanische Polizei sofort eine Belohnung von 18 000 Euro auslobt, um einen Mörder zu fassen. Am Montagmorgen hatte Präsident Jacob Zuma versprochen, dass „die Polizei jeden Stein umdrehen“ werde, um Meyiwas Mörder zu finden und vor Gericht zu bringen. „Worte können den Schock der Nation über diesen Verlust nicht zu Ausdruck bringen“, sagte Zuma. Dem stimmen viele Südafrikaner zu. Die Radioprogramme waren voll mit Trauerbekundungen von Hunderten Südafrikanern, die geschockt und zornig darüber sind, dass der Spieler der Orlando Pirates, einem in den 1930er Jahren gegründeten Fußballclub in Soweto, Opfer der allgegenwärtigen Gewalt Südafrikas geworden ist. Aber viele fragen auch, warum sich die Regierung – und viele Arme hegen den Verdacht auch gegen die Polizei – nur dann für Gewaltopfer interessieren, wenn diese reich und berühmt sind. Deshalb musste Phiyega beteuern, dass es „keine Sonderbehandlung“ gebe.

Die Kriminalitätsrate in Südafrika ist konstant hoch

Die südafrikanische Kriminalitätsstatistik ist deprimierend. Im Berichtsjahr 2013/14, das vom April 2013 bis März 2014 reicht und nun veröffentlicht worden ist, sind 17 068 Morde verzeichnet, das sind im Durchschnitt 47 am Tag und fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Dazu kommen 47 weitere versuchte Morde am Tag. Dazu kommen noch durchschnittlich 327 Raubüberfälle am Tag. Zum Vergleich: In Deutschland sind 2013 insgesamt 2122 Menschen Opfer eines Mordes oder Totschlags gewesen, heißt es im Jahresbericht des Bundeskriminalamts – im Durchschnitt sind es sechs Morde und 129 Raubüberfälle am Tag. In Deutschland werden im Durchschnitt 20 Frauen am Tag vergewaltigt oder sexuell genötigt, in Südafrika sind es 172, wobei der Medizinische Forschungsrat in Südafrika annimmt, dass nur eine von neun Vergewaltigungen in Südafrika auch angezeigt wird.
Für die meisten Südafrikaner ist die Kriminalität Teil ihres Alltags. Nicht normal finden sie, dass innerhalb von wenigen Tagen zwei Sportidole ihr Leben verlieren. Der Tod des Torwarts Senzo Meyiwa wird nicht nur von seinem Club als schwerer Verlust empfunden, sondern auch von der südafrikanischen Nationalmannschaft Bafana Bafana, die mit ihm im Tor die vorhergehenden vier Qualifikationsspiele für den Africa Cup of Nations gewonnen hatte. Erst am Freitag war der frühere 800-Meter-Weltmeister Mbulaeni Mulaudzi bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

Verstört. Kelly Khumalo musste zusehen, wie ihr Freund getötet wurde. Am Montag kehrte sie mit ihrer zehn Monate alten Tochter in ihr Haus zurück, wo sich die Tragödie ereignet hatte.
Verstört. Kelly Khumalo musste zusehen, wie ihr Freund getötet wurde. Am Montag kehrte sie mit ihrer zehn Monate alten Tochter in ihr Haus zurück, wo sich die Tragödie ereignet hatte.

© Reuters

Meyiwa wurde im Haus seiner Freundin, der in Südafrika bekannten Popsängerin Kelly Khumalo im Township Vosloorus etwa 40 Kilometer von Johannesburg entfernt überfallen. Zwei Männer drangen in das Haus ein und forderten Wertsachen, ein dritter stand vor der Tür. Angeblich erbeuteten die Räuber nur ein Mobiltelefon, bevor sie zu Fuß flüchteten. Neben Meyiwa und Khumalo waren fünf weitere Menschen im Haus. Einer der Zeugen erzählte, sie hätten versucht, die Täter bei ihrer Flucht aufzuhalten. Dann seien Schüsse gefallen. Meyiwa wurde in die Brust geschossen und war schon tot, als er im Krankenhaus ankam.

Die Trauer über Senzo Meyiwas Tod ist groß

Die Orlando Pirates schrieben, der Tod des 27-jährigen Spielers sei ein „trauriger Verlust“ für seine Familie, für den Club und die ganze Nation. Südafrikas Nationaltrainer Shakes Mashaba weinte, als er Meyiwa als „sehr netten Menschen“ und als Stütze der Nationalelf beschrieb, den er noch nie schlecht gelaunt erlebt habe. Der Chef des Fußballweltverbands Fifa, Sepp Blatter, nannte Meyiwas Tod „sinnlos“ und „tragisch“. Spaniens Nationaltorhüter Iker Casillas veröffentlichte im Foto-Onlinedienst Instagram ein Foto von Myiwa und ihm nach einem Trikottausch. Er sei „sehr traurig über den Verlust“ des Freundes, schrieb er dazu.

Kelly Khumalo muss nun nicht nur mit dem Verlust des Vaters ihrer zehn Monate alten Tochter leben. Sie ist am Montag auch noch ins Zentrum eines "Shitstorms" auf dem Kurznachrichtendienst Twitter geraten. Denn Meyiwa war verheiratet, hatte sich aber von seiner Frau getrennt. Viele Südafrikaner beschimpften Khumalo als "Ehebrecherin" und weitaus schlimmeres und solidarisierten sich mit der Ehefrau von Meyiwa. Khumalo kehrte am Montag mit ihrer Tochter auf dem Arm in ihr Haus zurück. Sie sah verweint aus und weiß wohl, dass ihr eine schwere Zeit bevor steht.

Eine Folge der Apartheid?

Warum Südafrikas Kriminalitätsrate konstant hoch ist, wird viel diskutiert. Die Apartheid wird als Grund genannt, die Brutalität der Polizei während der Rassentrennung. Der südafrikanische Think-Tank Institute for Security Studies (ISS), der seit Jahren die südafrikanische Polizeistatistik interpretiert, hält aber auch die Führungsprobleme bei der südafrikanischen Polizei für ein großes Problem. Bevor Phiyega den Posten übernahm, hatten jahrelang zwei in der Polizeiarbeit komplett unerfahrene Polizeichefs die Sicherheitskräfte geführt. Das Ergebnis ist, dass die Südafrikaner ihrer Polizei nicht vertrauen. Nur 42 Prozent halten die Polizei für kompetent, und 66 Prozent halten die Sicherheitskräfte für korrupt, hat das ISS herausgefunden.
Dazu kommt nach ISS-Einschätzung, dass es in Südafrika als „normal“ gilt, Probleme in der Familie mit gewalttätigen Mitteln zu lösen. Dazu passt die Erkenntnis, dass mehr als die Hälfte der weiblichen Mordopfer von ihren Ehemännern oder Freunden getötet werden.

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