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Südamerika: Chilenische Regierung will Abtreibungsverbot lockern

Viele chilenische Frauen reisen für einen Schwangerschaftsabbruch ins Ausland. Chiles Regierung unternimmt jetzt einen neuen Versuch, das strikte Abtreibungsverbot zu lockern. Entsprechende Initiativen waren in der Vergangenheit mehrfach gescheitert.

Malena war 25, als sie schwanger wurde. Sie stand kurz vor ihrem Abschluss in Sozialwissenschaften an der Universität von Santiago de Chile. Die Summe des Kredits, mit dem sie das Studium finanzierte, war bereits kräftig angewachsen. Allein deshalb schien eine Unterbrechung des Studiums unmöglich. Malena entschied sich für eine Abtreibung. Über eine Bekannte bekam sie die Adresse einer Privatklinik in der argentinischen Stadt Mendoza und fuhr mit dem Bus über die Anden ins Nachbarland. In Malenas Heimatland Chile sind Abtreibungen grundsätzlich verboten, auch im Falle einer Vergewaltigung oder aus medizinischen Gründen. Ein Gesetzesartikel, der Ausnahmen zuließ, wurde 1989 in den letzten Monaten der Pinochet-Diktatur abgeschafft.

Viele setzen sich über das Verbot hinweg

Die Regierung macht nun einen neuen Vorstoß, das Verbot zu lockern. Am Samstag will sie ihre Gesetzesinitiative dem Kongress vorlegen. Der Widerstand in konservativen Kreisen ist groß. Groß ist aber auch die Zahl derer, die sich über das Verbot hinwegsetzen. In Chile werden nach staatlichen Angaben jährlich rund 150.000 unerlaubte Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Wie viele Frauen zu einer Abtreibung ins Nachbarland Argentinien reisen, ist nicht bekannt. Zwar ist ein Schwangerschaftsabbruch in Argentinien ebenfalls strafbar, aber unter bestimmten Bedingungen erlaubt, und die Kontrollen in Buenos Aires, Mendoza oder Santa Fe sind laxer. „Zudem kennt dich dort niemand“, sagt Malena.

Initiativen zur Lockerung des Verbots hat es in Chile bereits mehrfach gegeben. Sie scheiterten jedoch früh an der Blockadehaltung der konservativen Parteien. Schon kurz nach ihrer Amtseinführung im März 2014 stieß dann Präsidentin Michelle Bachelet eine öffentliche Diskussion über ein Aufweichen der strengen Abtreibungsgesetzgebung an. Seither tobt die Debatte in einem von einer extrem konservativen katholischen Kirche geprägten Klima. Bischof Juan Ignacio González von San Bernado im Norden der Hauptstadt rechtfertigt die klare Haltung der Kirche: „Hinter dem begrenzten Vorschlag der Regierung verbirgt sich die Absicht, Abtreibungen freizugeben“, kritisiert er. Das Vorhaben sei nur der Anfang, am Ende gebe es keine Grenzen mehr.

Gesundheitsministerin löste Sturm der Entrüstung aus

Ende vergangenen Jahres forderte der öffentliche Streit sein erstes prominentes Opfer. Gesundheitsministerin Helia Molina musste nach ungeschminkten Äußerungen ihren Rücktritt einreichen. „In allen Nobelkliniken haben viele konservative Familien bei ihren Töchtern Abtreibungen vornehmen lassen“, sagte sie der konservativen Zeitung „La Segunda“ und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Schon am Tag danach nahm die 67-jährige Medizinerin ihren Hut.

Molina hatte angekündigt, dem Kongress noch im Januar einen Gesetzentwurf zur Lockerung des Abtreibungsverbots vorlegen zu wollen. „Es ist ein mildes Vorhaben“, erklärte sie. Vorgesehen seien Ausnahmen nach einer Vergewaltigung, wenn eine Frau bereits mehrfache Mutter sei und ihr Leben durch die Schwangerschaft bedroht sei und wenn die Ärzte dem Kind keine Überlebenschance gäben. Der Widerstand kommt indes nicht nur aus konservativen Kreisen von Kirche und Politik. Der schnelle Rücktritt der Ministerin zeigt, dass es auch innerhalb der Mitte-Links-Koalition keinen unverbrüchlichen Rückhalt zu geben scheint. Laut der Zeitung „La Segunda“ sollen die einzelnen Lockerungsvorschläge am Samstag nun nicht im Paket, sondern in drei getrennten Gesetzesvorlagen in den Kongress eingebracht werden. (epd)

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