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Beim "Swan Upping" wird ein Schwan in der Themse in London vermessen.

© AFP

"Swan Upping" in Großbritannien: Die Schwäne ihrer Majestät: Einst Delikatesse, jetzt behütet

Die Royals besitzen nicht nur Schlösser und Land, sondern auch einen Haufen Schwäne. Wie viele, wird jedes Jahr auf der Themse ermittelt. Dabei geht es typisch-britisch traditionell zu - auch wenn das „Swan Upping“ heute nichts mehr mit dem königlichen Speiseplan zu tun hat.

Die Briten haben bemerkenswerte Traditionen. In Schottland werfen sie Baumstämme, in England rollen sie Käse um die Wette. Und auf der Themse zählen sie Schwäne. Natürlich nicht irgendwie, sondern nach festen Regeln: Immer in der dritten Juliwoche, fünf Tage lang, von sechs Ruderbooten aus, von denen große Banner wehen und in denen uniformierte Männer sitzen, die ihre Aufgabe sehr ernst nehmen. Und die Aufsicht führt - wer sonst? - der Schwanenmarkierer ihrer Majestät. Das ist seit 22 Jahren David Barber.

Mit seinen Helfern zählt der sonnengebräunte, freundlich schauende Werftbesitzer im frühen Rentenalter jedes Jahr Schwanen-Elternpaare und ihren grau-flauschigen Nachwuchs auf knapp 130 Kilometern Flusslänge westlich von London. Ruhig gleiten sechs Ruderboote über die Themse, bis sich eine Schwanenfamilie zeigt. „All up!“, schallt es über das Wasser, „Alle auf!“. Geschickt kreisen die Ruderer die Familien ein, die meist aus einem Elternpaar und vier bis fünf Jungen bestehen. Den Schwanen-Zensus auf der Themse gibt es schon seit dem 12. Jahrhundert. Damals entschied die Krone, dass Höckerschwäne königlicher Besitz sein sollten. „Zu dieser Zeit galten Schwäne als köstliche Speise bei Banketten und Festen“, erklärt der Palast dazu.

Königin Elizabeth II. hat ein Recht auf jeden Schwan in ihrem Königreich

Heute weiß David Barber nichts über den Geschmack von Schwanenfleisch zu sagen: „Ich habe es noch nie probiert.“ Gezählt wird trotzdem noch, inzwischen zum Schutz der Tiere. Bis heute hat Königin Elizabeth II. ein Recht auf jeden Schwan in ihrem Königreich, der im offenen Wasser schwimmt und nicht markiert ist. So richtig nimmt sie dieses Recht aber nicht in Anspruch. Die royalen Schwanenzähler sind nur auf der Themse unterwegs, gemeinsam mit Vertretern der alten Gilden der Färber und Weinhändler, die seit dem 15. Jahrhundert auch Schwäne besitzen dürfen. Den majestätischen Vögeln passt das Gezähltwerden natürlich gar nicht. Die grau-flauschigen Kleinen fiepen ängstlich, die Großen schnattern verärgert und schlagen mit den Flügeln, dass es spritzt.

Helfer in Ruderbooten sind am 21.07.2015 bei der traditionellen Zählung der königlichen Schwäne auf der Themse in Großbritannien unterwegs. Ein uniformiertes Team zählt, misst und wiegt junge Vögel und legt ihnen einen nummerierten Ring an. Auch auf Verletzungen, etwa durch Angelhaken, werden die Tiere untersucht.
Helfer in Ruderbooten sind am 21.07.2015 bei der traditionellen Zählung der königlichen Schwäne auf der Themse in Großbritannien unterwegs. Ein uniformiertes Team zählt, misst und wiegt junge Vögel und legt ihnen einen nummerierten Ring an. Auch auf Verletzungen, etwa durch Angelhaken, werden die Tiere untersucht.

© dpa

„Das ist das Gefährliche“, erklärt Barber, „die Erwachsenen beißen nicht, aber wiegen bis 15 Kilo und haben viel Kraft.“ Es kommt deshalb schon mal vor, dass ein ausgewachsener Schwan sich wieder befreit und dabei einen der Zähler fast ins Wasser schubst. „Lass ihn gehen“, ruft Barber nachsichtig. Die eingekreisten Schwäne heben die Männer nun vorsichtig aus dem Wasser und fesseln ihnen routiniert die Beine. Alles soll möglichst schnell gehen: Messen wiegen, Ring anlegen, auf Verletzungen absuchen. Ist alles in Ordnung, dürfen die Schwaneneltern und ihr Nachwuchs nach wenigen Minuten wieder auf den Fluss. Immer öfter seien Verletzungen durch Luftgewehre ein Problem, sagt Barber. Weil die Vögel groß seien und in der Hoffnung auf Futter nahe an Menschen herankämen, seien sie ein leichtes Ziel.

Etwa 1000 bis 1200 Single-Schwäne auf der Themse unterwegs

Bis in die 1980er Jahre starben viele Vögel an Bleivergiftung wegen verschluckter Angelgewichte. Angelhaken sind auch heute noch eine Gefahr. Die Schwanenzähler haben deshalb auch einen Bildungsauftrag: „Wenn ihr eine Angelschnur mit Haken findet, dann lasst sie eure Eltern aufsammeln“, erklärt Jerry McCarthy von der Färber-Gilde einer Grundschulklasse am Ufer, „so könnt ihr auch was für den Schutz der Schwäne tun.“ Dank der regelmäßigen Zählerei weiß Barber, dass etwa 1000 bis 1200 Single-Schwäne auf der Themse unterwegs sind und im vergangenen Jahr 120 Jungschwäne markiert wurden. Dieses Jahr sehe es noch nicht so gut aus, etwa ein Drittel weniger habe sein Team gefunden.

Das „Swan Upping“ ist aber vor allem auch eine Tradition, und die werden kaum irgendwo so liebevoll gepflegt wie im Vereinigten Königreich. Die Schwanenzähler tragen große Federn an ihren Kapitänsmützen: „Das war schon immer so.“ Sie schippern auf Ruderbooten, die immerhin auch schon 100 Jahre auf dem Buckel haben, über den Fluss. Und auf den Bannern der Gildenboote sind ihre kunstvollen Wappen zu sehen, die beiden Royal-Boote haben „E II R“ auf den Fahnen stehen, kurz für „Elizabeth II. Regina“ - die Insignien der Königin.

Der Job mache großen Spaß, sagt Barber, und viele Schaulustige beobachten die Schwanenzähler bei der Arbeit. Natürlich ist nicht alles geblieben wie im Mittelalter. Früher wurden den wertvollen Tieren Markierungen in den Schnabel geritzt, heute zeigen die Ringe am Bein, wem ein Themse-Schwan gehört. Und das mit dem Rudern ist auch nicht mehr ganz, was es einmal war: Mehr als einmal lassen die sechs Teams sich von Motorbooten in den Schlepp nehmen. (dpa)

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