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Panorama: Tagebuch 05./06.05.

Wir dokumentieren einige Auszüge aus dem Tagebuch der Oceana-Expedition aus der Zeit vom 22. April bis 6. Mai. Diese Teile sind von Paloma Lorena geschrieben, der Kommunikationschefin von Oceana Europa.

Donnerstag, 5. Mai 2005
Beerentang am Bug!

"Die Sargasso-See ... Sie unterscheidet sich dermaßen von alle anderen Flecken der Erde, dass man sie gut als eigene geographische Region bezeichnen kann." (Rachel Carson)

"Land in Sicht!" Als die Galeeren von Christoph Kolumbus nach monatelanger Fahrt auf große Bündel bräunlich-gelber Algen stießen, auf denen sich kleine Krabben und Krustentiere aller Art befanden, dachte der Große Admiral, er wäre endlich auf Land gestoßen. Er hatte sich allerdings verrechnet und befand sich auf der Sargasso-See in über 1.000 Seemeilen Entfernung vom amerikanischen Kontinent. Die Portugiesen gaben diesem Gewässer seinen Namen, weil sie die riesige, auf vielen Kilometern Länge treibende Algenmasse an eine typische Rebsorte ihres Landes, die "Salgazo" erinnerte.

Die Sargasso-See erstreckt sich auf etwa 2.000 Quadratkilometern, fast von der nordamerikanischen Küste bis in die Nähe der Azoren, und beherbergt schätzungsweise rund sechs Millionen Tonnen dieser Algen. Das Algengeflecht besteht in erster Linie aus zwei Spezies: Sargassum natans und Sargassum fluitans. Anders als beispielsweise ähnliche Algen des Mittelmeers oder des europäischen Atlantiks sind diese beiden Beerentang-Arten nicht mit dem Boden verbunden sondern leben ausschließlich an der Wasseroberfläche. Um treiben zu können, bedienen sie sich kleiner Kapseln bzw. Kugeln, die mit Sauerstoff, Stickstoff und Kohlendioxid gefüllt sind. Die Ranger fährt durch das südliche Gebiet, das eine geringere Dichte aufweist.

Auf Oceanas Reise zu den Bermudas haben wir neben den faszinierenden Portugiesischen Galeeren (Physalia physalis) auch Bündel von Beerentang gesichtet, die allerdings noch klein und kaum ausgebreitet sind. Mit einem Schmetterlingskescher ähnlichen Handnetz haben wir einige Proben genommen. Bei genauer Betrachtung entdecken Ricardo und Indi eine Krabbenkolonie, die zwischen den Algen Zuflucht gefunden hat und von denen das größte Exemplar nicht mehr als 3 cm misst. Auch einige kleine Garnelen sind zu sehen und winden sich verzweifelt auf der Suche nach Wasser.

Aufgrund der großen Anzahl von Lebewesen und Nährstoffen innerhalb des Beerentangs findet sich hier eine große Ansammlung von Schildkröten. Kurz nach dem Ausschlüpfen an den Eiablage-Stränden in Mittelamerika, Florida und den Bahamas gelangen sie hierher, um das so genannte "verlorene Jahr" zu verbringen, bevor ihre lange Wanderung beginnt. Sie nutzen den Golfstrom, um die Sargasso-See zu erreichen, und setzen von dort aus ihre Reise in Richtung des europäischen Atlantiks und des Mittelmeers fort. Etwa 400.000 Exemplare werden unbeabsichtigt Opfer der Schwertfisch-Fänger im Mittelmeer.

"Sargasso-See in Sicht!" Wir befinden uns ganz in der Nähe, doch einmal mehr muss die Ranger angesichts der mehr als finsteren Wettervorhersage ihre Pläne ändern. Am Donnerstag, den 5. Mai, um 16:20 Uhr, gibt der Kapitän dem Ersten Offizier den Befehl, den Kurs zu ändern. Die Besatzung legt das Besansegel in eine neue Position und breitet den Klüver aus. Wir schieben unsere Fahrt zum Zentrum der Sargasso-See vorübergehend auf und fahren nun Richtung Bermudas. Nuños Berechnungen zufolge werden wir dort am Freitag gegen Mittag ankommen. Die Übersee-Expedition wird Schutz vor dem bevorstehenden Unwetter suchen, das vermutlich sein volles Ausmaß in den nächsten Tagen erreichen wird.

Freitag, 6. Mai 2005
Im Krater des Vulkans

12:30 Uhr. Die Bermudas ragen würdevoll wie eine gewellte Linie aus zarten, grünen Hügeln mitten im Nordatlantik empor. In einer Gegend, die im Umkreis von Hunderten von Meilen außer 4.000 bis 5.000 Meter tiefem Gewässer nichts zu bieten hat, wirkt der Anblick der Bahamas beruhigend auf die Expeditionsteilnehmer an Bord der Ranger. Wir sind seit Verlassen der Bahamas fünf Tage unterwegs, doch es zieht ein Unwetter auf den Standort des Katamaran zu, so dass wir die geplanten Tauchgänge in der Sargasso-See nicht durchführen können - wenigstens jetzt nicht. Um ehrlich zu sein, freuen wir uns alle darauf, Land zu erreichen.

Wenngleich es allgemein als Bermudas-Archipel bekannt ist, sprechen die Einwohner einfach nur von "Bermuda", als ob es eine einzige und unteilbare Insel wäre. Eigentlich ist das auch so. Beim Blick auf die Seekarte unseres Kapitäns kann man gut den beinahe runden Kreis erkennen, aus dem Bermuda besteht. Der Südteil ragt hakenförmig mit einer Fläche von etwa 30 Quadratkilometern aus dem Wasser, während der Nordteil unter Wasser eine riesige Korallenwand bildet. Im Zentrum dieses gigantischen Rings befindet sich flaches Gewässer, und außerhalb des Rings der tiefe Ozean.

Bermuda ist der Krater eines einstigen Unterwasservulkans, der im Pleistozäns - also während der Eiszeit - aus dem Wasser auftauchte. Er ist Teil einer Gruppe von Unterwasserbergen, von denen viele Gipfel unter Wasser liegen. So zum Beispiel die Berge der so genannten Plantagenet-Bank weiter südlich, die aus einer Tiefe von 5.000 Metern bis etwa 40-60 Meter unter der Wasseroberfläche emporragen. Werfen wir mal einen Blick auf eine normale Karte von Bermuda. Hier sieht man eine Reihe verschiedener Inseln (die aufragenden Zonen), die anhand von Brücken miteinander verbunden sind.

Jahrhundertelang wurde Bermuda als "Teufelsinsel" bezeichnet, und der Schriftsteller Mark Twain sagt von ihr, sie sei "der kleinste, längste Ort der Welt". Außerdem ist sie der nördlichste Punkt (32 Breitengrad Nord), an dem Mangroven und ein tropisches Korallenriff zu finden sind. Die ist auf die mäßigende und mildernde Wirkung des Golfstroms auf das Inselklima zurückzuführen.

Die Ranger befährt Bermuda entlang der Insel Saint George. Wir wenden uns zunächst an den Zoll, um die entsprechenden Formalitäten zu erledigen. Nach dem Anlegen begeben sich einige von uns mit dem Beiboot in Richtung Land. Auf dem Platz, an dem wir an Land gehen, sind neben dem Rathaus alte Folterinstrumente ausgestellt, mit denen Verbrecher öffentlich bestraft wurden. Die Insel, ihre Häuser, Menschen und Traditionen sind englisch geprägt. Mehr als dreihundert Jahre nach Ankunft der ersten Engländer (Schiffbrüchige) gehört Bermuda noch immer zum Vereinigten Königreich und ist von Diskussionen zwischen den Vertretern der Unabhängigkeit und den Anhängern der Krone Ihrer Königlichen Hoheit ergriffen.

Fototour: Bilder der Expedition - Teil 2
Fototour: Bilder der Expedition - Teil 1
Tagebuch vom 28./29.04.
Tagebuch vom 01./02.05.
Weitere Informationen finden Sie unter Oceana.org. (tso)

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