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Panorama: Tannen knickten wie Streichhölzer

Bunker-Explosion in Lübben: Die Soko sucht, die Staatsanwälte ermitteln wegen fahrlässiger Tötung

Ein Schild mit einer Drei markiert den Punkt, an dem bis Dienstag ein massiver Bunker stand. Sieben bis acht Meter hoch, mit meterdicken Mauern aus Stahlbeton. Davon sind jetzt nur noch Trümmer übrig. Mit dem Bunker flogen vier Arbeiter in die Luft. Zum Gedenken an die 26, 27, 50 und 59 Jahre alten Opfer legten Angehörige und Mitarbeiter Blumen und Kränze am Eingang des Spreewerks nieder. Bisher sind dies die einzigen Hinweise auf das größte Explosionsunglück in dem seit 1960 existierenden Spreewerk. Es liegt rund drei Kilometer Luftlinie von der Kreisstadt Lübben (Dahme-Spreewald) entfernt.

Bis zur Wende wurde dort Munition für die Kleinwaffen der DDR hergestellt. Nach der Wende vernichteten die Arbeiter die Früchte ihrer Arbeit. 1992 kaufte ein US-Unternehmen die Unternehmensgruppe Spezialtechnik Dresden, zu der auch der Spreepark gehört. Seitdem werden dort für Armeen aus ganz Europa die nicht mehr benötigte Munition, die Raketen, die Bomben und Minen vernichtet. Bei der Zerlegung von 80 Kilo Sprengbomben kam es am frühen Dienstagnachmittag zu der verheerenden Explosion mitten im Wald. Über 20 Meter hohe Tannen knickten wie Streichhölzer, die Trümmer flogen bis zu 500 Meter weit. Wie viele Bomben in dem Erdbunker gelagert wurden, dazu äußert sich die Geschäftsleitung nicht, obwohl sie sich sonst sehr auskunftsfreudig gibt. Vor jedem Arbeitsgang prüfe man sehr genau das damit verbundene Risiko, sagte Geschäftsführer Gert von Wickede. Aber an diesem Dienstagmittag ging irgendetwas schief. Was es war, das soll eine Sonderkommission der Brandenburger Polizei klären. Bisher gibt es zur Ursache der Detonation noch nicht einmal Spekulationen. Rund 50 Mitarbeiter des Landeskriminalamtes, der Bereitschaftspolizei und der Gerichtsmedizin durchsieben jedes Gramm Erde um die Unglücksstelle. Dabei finden sie nicht nur Trümmerstücke. Die Opfer seien nur noch anhand von DNA-Analysen zu identifizieren, sagte Polizeisprecher Matthias Kühnel aus Frankfurt (Oder).

In dem mit Maschendrahtzaun und Stacheldraht gesicherten Delaborierungsbereich herrscht grundsätzlich Sicherheitsstufe eins. Autos dürfen nicht fahren. Wege werden mit dem Fahrrad oder in Elektrofahrzeugen zurückgelegt. Rauchen ist auf dem gesamten 184 Hektar großen Grundstück verboten. Vor dem Bereich mit den Bunkern liegt ein zweiter Sicherheitsbereich, in dem Munitionskisten lagern und Dutzende von Containern abgestellt sind. Ein gelbes Schild mit der Aufschrift „Explosiv" weist auf ihren gefährlichen Inhalt hin. Die Sicherheitsrichtlinien des Werkes verbieten es von Wickede, über den Inhalt zu sprechen. Woher die Container kommen, lässt sich nur erahnen. Möglicherweise aus dem asiatischen Raum, denn auf dem gelben Warnschild sind nicht identifizierbare asiatische Schriftzeichen aufgedruckt. Die Ermittlung der Explosionsursache wird die Ermittler noch eine Weile beschäftigen. Von den Maschinen, mit denen die Bomben im Bunker zerlegt wurden, sind nur noch Fetzen übrig. Die Munition ist, wenn sie ins Werk kommt, „grundsätzlich transport- und handhabungssicher", sagte von Wickede, „und wird in Stahlbetonbunkern gelagert“. Wie viel Munition auf dem Gelände lagert, vermag der Geschäftsführer nicht zu sagen: „Es ist ein ständiger Wechsel. Es wird welche zerlegt und neue kommt hinzu". Eines ist für die Ermittler zwei Tage nach dem Unglück allerdings sicher.

Es gab nur eine gewaltige Explosion, die den Bunker zerstörte und vier Menschen tötete. Anfangs war noch von einer zweiten Detonation die Rede gewesen, die sich eine knappe Stunde nach der ersten ereignet haben sollte. Das war ein Irrtum: „Möglicherweise war es der Schuss eines Jägers außerhalb des Geländes", sagte von Wickede. Und Polizeisprecher Kühnel assistiert ihm: „Es gab definitiv nur eine Explosion." Eine Schuldfrage an dem Explosionsunglück wurde bisher noch nicht gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zwar wegen fahrlässiger Tötung. Die Geschäftsleitung des Spreewerks zweifelt nicht an ihren Sicherheitsstandards: „Gehen Sie davon aus, dass es hier sicher ist", gab Geschäftsführer Gert von Wickede den Journalisten mit auf den Weg.

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