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Panorama: Tierisches Treiben

Bei der Stierhatz von Pamplona wurden zwei junge Männer durch Hornstöße verletzt

Der Tod läuft mit, aber die Gefahr wird verdrängt: Viele jener jungen Männer, die sich an diesem Morgen mit den Stieren messen, tragen rote Halstücher, auf denen 15 Namen stehen. Der Erste auf der Liste heißt Daniel Jimeno. Jener junge Bursche aus der Nähe Madrids, der vor einem Jahr bei den Stiertreiben von Pamplona von einem Kampfbullen aufgespießt wurde und mit durchtrennter Halsschlagader verblutete. Seit Beginn der Aufzeichnungen vor 90 Jahren gab es 15 Tote bei Pamplonas Stierhatzen. „Er hatte Pech“, sagt Daniels Vater Juan Antonio Jimeno, der in diesen Tagen einen Blumenstrauß an jener Stelle niederlegen will, an der sein 27-jähriger Sohn auf dem Altstadtpflaster starb. Daniel sei bei Pamplonas weltberühmter Stierjagd, an der er schon mehrfach teilgenommen hatte, schlicht „glücklich“ gewesen. „Auch wenn er natürlich Angst hatte, wie alle.“ Ein Nervenkitzel, den Daniel mit dem Leben bezahlte.

Mehr Glück haben die Läufer bisher in diesem Jahr: Bei den ersten Stiertreiben gab es zwar, wie üblich, Dutzende Verletzte, aber keine Toten. Zwei Männer wurden durch Hornstöße schwer verletzt, darunter ein irischer Tourist. Bereits am Vortag landete ein australischer Urlauber schwer verletzt im Krankenhaus. Blaue Flecken, Prellungen und Knochenbrüche sind bei diesem Stier-Irrsinn normal und gelten als Beweis des Wagemutes, tauchen oft nicht einmal in der Verletztenbilanz auf. Und der Tod wird als traurige Fügung des Schicksals hingenommen. So wie im Falle Daniels. Oder eines 20-Jährigen, der gerade erst im zentralspanischen Dorf Fuentesauco bei einer Bullenhatz von einem Stier getötet wurde.

Die Fernseh-Reporter kommentieren den Lauf mit dem Tod durch Pamplonas Altstadt wie ein Fußballspiel. Sie sprechen von „schönen Spurts“ und „guter Positionierung“ der Läufer, die hier „mozos“ genannt werden. „Ausgezeichnet“ habe der prominente Cesar Cruchega, ein früherer Profi-Fußballer, vor der heranstürmenden Stierherde ausgehalten. Bis er, wie so viele andere, im Getümmel stürzte, sich mit den Händen vor dem Gesicht zusammenrollte und beten musste, nicht von einem wütenden Bullen angegriffen zu werden.

Noch bis zum 14. Juli werden in Pamplonas City jeden Morgen, Punkt acht Uhr, zu Ehren des Schutzheiligen San Fermin die Stiere losgelassen: Sechs weiß-braune Leitbullen gefolgt von sechs braun-schwarzen Kampfbullen stürmen durch die abgesperrten Altstadtgassen. Vor, neben und hinter ihnen rennen über die 850 Meter lange Strecke bis zur Stierkampf-Arena mehrere tausend junge Männer. Die meisten mit weißen Hosen, Hemden und einem roten Halstuch bekleidet. Nur mit einer zusammengerollten Zeitung bewaffnet. Der morgendliche Wahnsinn aus Pamplona wird vom Fernsehen live bis ins letzte Kuhdorf Spaniens übertragen. Auch viele unerfahrene Touristen versuchen immer wieder, wenigstens ein Mal in ihrem Leben, Torero zu spielen. Regelmäßig muss die Polizei junge Männer zurückhalten, die in sommerlichem Übermut barfuß, in Schlappen und betrunken den Stieren entgegentreten wollen. Oder mit Fotokamera – dabei aber vergessen, dass ihr tolles Urlaubsbild ihr letztes Foto sein könnte.

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