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Riesenfang. Die Jäger stoßen schon mal auf Pythons, die mehr als fünf Meter lang sind.

© dapd

Tierwelt: Florida im Würgegriff der Riesenschlangen

Pythons bedrohen die Artenvielfalt in den Everglades. Zu Besuch bei einem Schlangenjäger in Florida.

Von Katrin Schulze

Dort, wo das Gras so hoch gewachsen ist, dass es bis zur Hüfte reicht, ist die Chance am größten. Genauso groß etwa wie die Gefahr, die Jeffrey Fobb bei seiner Arbeit stets begleitet. Der Mann stapft in seinen schweren schwarzen Stiefeln durchs Grasland, langsam, aber bestimmt. Dann raschelt es. Und plötzlich geht alles ganz schnell: Er geht in die Knie, setzt zwei beherzte Griffe, einen kurz hinter dem Kopf des Tiers, den anderen weiter hinten. Die Python versucht sich noch zu wehren, sie reißt ihr Maul auf, doch eine Chance hat sie jetzt nicht mehr.

Jeffrey Fobb, der so breit ist wie ein Schrank, wird sie gleich in einen kleinen Sack packen. Wieder ein kleiner Erfolg, wieder hat er der Natur, seinem Land etwas Gutes getan. Das ist sein Job. Jeffrey Fobb ist Schlangenjäger, offiziell nennt sich sein Posten Chef der Gifteinheit bei der Feuerwehr. Sein Einsatzgebiet sind die Everglades, wo die Pythons zur Plage geworden sind. Zehntausende haben sich in freier Wildbahn breitgemacht und „richten Amerikas schönstes und reichstes Ökosystem zugrunde“, wie Marcia McNutt sagt, die Leiterin der US-Behörde für Geologie. „Nur ein schnelles und kühnes Eingreifen durch den Menschen kann die Schlangen noch stoppen.“

Ginge es nach McNutt, müsste es dringend mehr Menschen wie Jeffrey Fobb geben. Zusammen mit drei Kollegen wacht er hauptverantwortlich über 1,2 Millionen Hektar Land – vom See Okeechobee bis in den Südzipfel des US-Bundesstaats Floridas erstreckt sich sein Gebiet. „Wenn man da eine Schlange fangen will, muss man echt Glück haben“, sagt er. Glück – und Erfahrung. Fobb ist mitten in den Everglades aufgewachsen und fand die Tiere schon als kleiner Junge faszinierend, er hat zig Bücher über sie gelesen, und seit mehr als 20 Jahren beschäftigt er sich nun schon professionell mit ihnen.

Mittlerweile weiß er genau, wo sie sich am ehesten verstecken und wie man sie am besten erwischt. Gegen ihre rasante Verbreitung in den Sümpfen Floridas konnte aber auch er bisher nur wenig ausrichten. Das Problem ist, dass vor allem die riesigen Tigerpythons – mehr als fünf Meter können sie groß werden – keine natürlichen Feinde in der Region besitzen. Dafür fressen die Würgeschlangen so ziemlich alles, was ihnen vors Maul kommt: Vögel, Luchse, Katzen, Eichhörnchen, Kaninchen, Füchse und manchmal sogar Hirsche oder Alligatoren. So wird das natürliche Gleichgewicht gestört und vielleicht bald noch mehr.

Seit Jahrzehnten lockt der Everglades Nationalpark, der etwa die Hälfte des gesamten Sumpfgebiets ausmacht, Touristen nach Florida. Wie im benachbarten Big Cypress Nationalpark lassen sie sich auf Luftbooten durch die Gegend sausen, um genau das zu sehen: Artenvielfalt und unberührte Natur. Doch ein Großteil der in Südflorida beheimateten Säugetierarten haben die Pythonschlangen schon gänzlich ausgerottet – neue Studien gehen davon aus, dass bald 90 Prozent der ursprünglichen Fauna betroffen sein könnten. Sind die Tiere noch zu retten? Dass sich die wildernden Schlangen ihrerseits auslöschen lassen, hält Fachmann Fobb für illusorisch. „Unser Ziel kann es nur sein, das Problem einzudämmen. Für die Natur wäre es allerdings am besten, wenn es hier keine einzige Python gäbe.“

Als Schlangenjäger braucht man ein gutes Auge, ein gutes Gehör und eine Portion Wahnsinn.

Chef-Jäger. Jeffrey Fobb arbeitet bei der Feuerwehr in den Everglades.
Chef-Jäger. Jeffrey Fobb arbeitet bei der Feuerwehr in den Everglades.

© Schulze

Heute ist kein guter Tag für Jeffrey Fobb und die Natur. Ein bisschen kälter als gewöhnlich ist es und es schüttet seit dem Morgen. Erkennt man die Schlangen im hohen Gras sonst schon schwer, sieht man sie nun gar nicht mehr, weil sie sich bei diesem Wetter gerne im Boden vergraben. Der 45 Jahre alte Feuerwehrmann will es trotzdem versuchen. Er sei nicht der Typ, der den ganzen Tag im Büro sitzen könne.

Also zieht er sich den grauen Pulli seines Arbeitgebers über, klemmt seine langen schwarzen Haare unter ein Basecap und düst mit dem Pick-up davon. Ab in den Regen. Meist bleibt Jeffrey Fobb auch sonst nicht anderes übrig, als sich im Auto auf Schlangenjagd zu begeben – zu weitläufig ist sein Bezirk. Irgendwann steigt er aus und macht sich mit Spezialhandschuhen und dem kleinen Sack, in dem er seine potenzielle Beute verstaut, zu Fuß auf den Weg durchs Gras. Langsam, aber bestimmt. Den Blick immer auf den Boden gerichtet, während es auf seine Kappe pladdert.

Wer einen Job wie Fobb ausübt, braucht vor allem drei Dinge: ein gutes Auge, ein gutes Gehör und eine gute Portion Wahnsinn. Auch wenn Fobb jetzt abwinkt. So gefährlich sei das alles nun auch nicht, sagt er. „Natürlich wurde ich auch schon ein paar Mal gebissen, das bleibt nicht aus. Aber meine Arbeit wirkt vor allem auf andere aufregend.“ Nicht auf ihn. Mehr als die eine Schlange hat Jeffrey Fobb an diesem Septembertag nicht geschnappt. Er verstaut sie in einer Box, alles weitere regelt die Behörde. Manchmal werden die Schlangen für wissenschaftliche Untersuchungen oder Trainings genutzt, seltener auch sofort getötet.

Für Fobb beginnt nach dem Fang der statistische Teil seiner Arbeit, Schlangenjäger ist auch ein Bürojob. Er fährt zurück in die Feuerwache und tippt Größe, Gewicht und Fundort der Schlange in ein Computerprogramm ein. Routine. Anders als damals im August, als Jeffrey Fobb und sein Team es mit einem Fall zu tun hatten, der ihnen hier in der Gegend, aber auch weltweit jede Menge Aufmerksamkeit bescherte. 5,35 Meter lang war die Netzpython, die sie in den Sümpfen gefangen haben. Das Weibchen wog so viel wie ein ausgewachsener Mensch, 74 Kilogramm, zudem war es mit 87 Eiern trächtig. So etwas hatte selbst Fobb noch nicht gesehen, obwohl ihm schon vieles untergekommen ist.

Manche Menschen reagieren beim Anblick einer Phyton hysterisch.

Eingeschleppt wurden die Pythonschlangen vor etwa drei Jahrzehnten. Zunächst als Haustiere gehalten, sind sie später wohl ausgesetzt oder versehentlich freigelassen worden und haben sich dramatisch vermehrt – Pythons sind fortpflanzungsfreudige Reptilien. „Viele Leute haben kein realistisches Bild der Schlangen, sie kaufen sie ohne eine Ahnung zu haben, was sie da eigentlich für ein Tier erworben haben“, erzählt Fobb, der seinen Beruf schon mal mit nach Hause nimmt. Auch privat hält er Schlangen.

Inzwischen haben es die Behörden in Florida verboten, Tigerpythons einzuführen. Ohne Genehmigung dürfen sie auch nicht mehr gehalten und transportiert werden. Außerdem wurden die Tiere zum Abschuss freigegeben, in bestimmten Regionen dürfen Menschen die Würgeschlangen sogar jagen. Denn es ist keineswegs so, dass der Wildwuchs der Schlangen sich nur innerhalb der Schutzgebiete vollzieht. Oft, manchmal vier Mal am Tag, rufen Menschen bei Jeffrey Fobb an, weil ein Tier durch ihren Vorgarten kriecht. Die Betroffenen reagieren da schon mal hysterisch, „einige schießen auch sofort auf die Schlangen“, sagt Fobb. Der Fachmann aber hat es in den Gärten allemal leichter als in den tiefen Sümpfen oder im hohen Gras.

Vor dem Hintergrund des großflächigen Problems bietet der Feuerwehrmann auch Kurse für richtigen Umgang mit den Schlangen an. „Viele wollen die Schlangen immer noch fangen, wenn sie mit dem Kopf zu ihnen gerichtet ist“, sagt Fobb, „keine gute Idee. Besser ist es, wenn das Tier von einem wegkriecht.“ Sollte doch mal ein Unfall passieren, kann der Mann auch helfen. Neben Fobbs Büro befindet sich ein Zimmer, das viele Medikamentenpackungen in einem Glasschrank beheimatet: die Gegenmittel für die 250 giftigen Schlangenarten, die im Einsatzgebiet von Jeffrey Fobb vorkommen.

Und dann steht in dem Zimmer noch ein Käfig, in dem eine Schlange um ein paar Äste kriecht. Es ist das Trainingstier der Feuerwehrwache. Mit ihm bildet Jeffrey Fobb den Schlangenjäger-Nachwuchs aus. Er geht davon aus, dass es bald mehr von seiner Sorte geben wird, hier im Süden von Florida.

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