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Panorama: Timbaland, der Große

Was dieser Musikproduzent anfasst, wird ein Erfolg. Ob Nelly Furtado, Justin Timberlake oder Björk – alle wollen mit ihm arbeiten

Mitte der neunziger Jahre wusste der aus Virginia stammende Komponist und Produzent Timothy Mosley ganz genau, wie er die Popwelt eines Tages aus den Angeln heben würde. Er prophezeite: „Ich werde das Radio verändern.“ Ein paar Jahre später, da hatte Mosley sich schon als Timbaland einen Namen gemacht und das Sounddesign des Hip-Hop und R&B entscheidend verändert, ließ er eine seiner Musen, die bei einem Flugzeugunglück tragisch ums Leben gekommene Aaliyah, singen: „I am music, I’m melodies and harmonies, stereo and mono, I’m the radio, the radio, I am music, I’m simply dolby, tempos, drum rolls, I’m the radio, the radio.“

Und tatsächlich, wiederum ein paar Jahre später, da in diesen Tagen Timbalands Album „Shock Value“ erscheint, kann man nur sagen: Dieser Mann ist das Radio höchstselbst, er ist die graue Eminenz der Popmusik, der Eckermann des Pop. Timbaland hat sich in den späten neunziger Jahren mit neuartig verschachtelten Beats, Schlackersounds und wuchtigen Vor und Zurücks den Mainstream zum Untertan gemacht, nicht umgekehrt, wie das sonst der Fall ist. Und er bestimmt zusammen mit den Neptunes, seiner härtesten Konkurrenz im Ressort der Großproduzenten, wie der Pop der ausgehenden nuller Jahre zu klingen hat. Timbaland beherrscht die Charts in den USA und Europa, wo er aktuell mit drei Produktionen in den Top Ten steht: mit Nelly Furtados „Say It Right“, Justin Timberlakes „What Goes Around … Comes Around“ und dem unter seinem eigenen Namen firmierenden, von Nelly Furtado und Justin Timberlake allerdings stimmlich extrem dominierten Stück „Give It To Me“. Kein Wunder, dass die Größen des Pop bei ihm Schlange stehen und viel Geld zu zahlen bereit sind; dass der Hip-Hop-Mogul Jay-Z genauso gern mit ihm arbeitet wie der britische Jammerpopsänger Chris Martin, und dass sich auch Björk gerade erst für ihr neues Album „Volta“ zwei Nummern von Timbaland hat produzieren lassen.

Das Schicksal von Großproduzenten aber ist es auch, man denke zum Beispiel nur an die Herren Chinn und Chapman (The Sweet, Abteilung Bubblegum-Pop) oder an Rick Rubin (Johnny Cash, Abteilung Countrylegende) und Butch Vig (Nirvana, Abteilung Grungelegende): Die im Hintergrund sieht man nicht, selbst wenn sie noch so sehr das Radio höchstpersönlich sind wie Timbaland. Eine Nelly Furtado, einen Justin Timberlake, eine Missy Elliott, die kennen selbst Menschen, für die Pop ein Buch mit sieben Siegeln darstellt. Diese Popstars haben alle schon mal im Fernsehen gesehen oder im Radio gehört. Einen Timbaland aber nicht.

Insofern erklärt sich auch, dass Timbaland zutiefst hin- und hergerissen ist zwischen dem Verdruss darüber, nur Hitparadenfutter zu liefern, und dem Reiz, den es hat, selbst als Künstler in den Vordergrund zu treten. Also orakelt er dann und wann schon mal, nie wieder noch so gut bezahlte Auftragsarbeiten zu erledigen, und produziert statt dessen Hip-Hop- Tracks auf der Basis von Country und Bluegrass, so wie 2004 für seinen Lieblingsbuddy Bubba Sparxxx. Nach drei künstlerisch wertvollen, aber kommerziell eher erfolglosen Alben ist wiederum „Shock Value“ Timbalands inzwischen schon vierter Versuch, gleichfalls Großpopstar zu werden, und es ist sein ausladenster und weitschweifigster, sein autoritärster und dominantester.

Vertreten sind all die Stars, die nicht zuletzt Timbaland die entscheidenden Karrierekicks verdanken: also Nelly Furtado und Justin Timberlake, die zur Abwechslung einmal ihm zuarbeiten, dazu langjährige Wegbegleiter und Schützlinge wie Missy Elliott, Keri Hinson und Magoo. Auch dabei: der Gangsterrapper 50 Cent und der Westcoast-Produzent Dr. Dre. Vor allem aber, man höre und staune: Elton John, der sich mit Timbaland gutgelaunt ein Piano-Drums-Duell liefert, und die schwedischen Retrorocker The Hives, die hibbelig durch einen Song jagen.

„Shock Value“ ist größtenteils großes Kino, ein Produzentenalbum der Extraklasse. Es hat seine allerbesten Momente aber doch wieder in der Verbindung von Mainstream-Gesang und Timbalands speziellen Beatfiguren. In seiner Verschränkung mit dem Rock oder eben Elton John ist das Album vor allem eins: Muskeln zeigen, angeben, die Beine in die Hand nehmen und den R&B einen guten sein lassen. Timbalands System kennt keine Grenzen, und gerade deswegen dürfte sich sein Schicksal auch in Zukunft hinter den Reglern und nicht vorne an der Rampe erfüllen.

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