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Panorama: Toronto zittert

Erlebt die Stadt das gleiche Schicksal wie Hongkong und Peking?

SARS – NACH CHINA JETZT KANADA

In der kanadischen Metropole Toronto geht die Sars-Furcht um. Was für die meisten Kanadier zwar ein bedenkliches, aber weit entferntes Phänomen ist, breitet sich in der Stadt mit beängstigender Geschwindigkeit aus. Bislang sind in Kanada 14 Menschen an dem Virus gestorben, es gibt mehr als 300 Verdachtsfälle, über 250 davon in der Region Toronto. 650 Menschen stehen in der Stadt derzeit unter Quarantäne, im vergangenen Monat waren es insgesamt 7000, die für zehn Tage zu Hause bleiben mussten. Kein anderes Land außerhalb Asiens ist von der Seuche so stark betroffen und keine andere Stadt. Erlebt Toronto das gleiche Schicksal wie Hongkong und Peking? Vor zwei Wochen dachten die Verantwortlichen zunächst, sie hätten die Gefahr unter Kontrolle. Doch an diesem Wochenende häuften sich Meldungen, wonach infiziertes Krankenhauspersonal die Krankheit weitergegeben haben könnte.

Ruf nach Giuliani

Eine Krankenschwester benutzte, wie berichtet, die U-Bahn und einen Regionalzug, obwohl sie infiziert war. Mittlerweile werden die Stimmen lauter, die die Sicherheitsvorkehrungen gegen die Seuche als zu lasch kritisieren. Der „Globe and Mail", Kanadas größte nationale Zeitung, forderte Torontos Bürgermeister Mel Lastman gar zum Rücktritt auf. „Wo ist Rudi Giuliani, wenn man ihn braucht?", schrieb der „Globe-and- Mail“-Kolumnist, „diese Art der Führung könnte Toronto jetzt gebrauchen. Die Stadt kann sich kein Vakuum an der Spitze leisten." Der „Toronto Star" schlug in die gleiche Kerbe und forderte Gefängnisstrafen für Menschen, die die Quarantäne-Vorschriften missachten.

Donald Low, Mikrobiologe am Mount Sinai Hospital, das die meisten Sars-Fälle in Toronto behandelt, sagt: „Wir befinden uns auf einer sehr steilen Lernkurve. Wenn wir Fehler machen, werden wir sie korrigieren. Wir sind aber noch nicht aus dem Wald heraus. Das hier ist ganz anders als alles, was ich bislang gesehen habe."

Die Gesundheitsbehörden erwägen striktere Kontrollen. Unter anderem wird überlegt, elektronische Fußfesseln einzusetzen, um zu überprüfen, ob die Menschen in Quarantäne sich an die Auflagen halten. Der Ausbruch von 29 neuen Fällen vor einer Woche hatte eine Reihe kritischer Fragen aufgeworfen. Das Virus hatte sich in einem Gebetskreis der philippinischen römisch-katholischen Kirche in Toronto ausgebreitet.

Die Behörden brauchten jedoch eine Woche, ehe sie nach dem Ausbruch der Krankheit bei einem der Gruppenmitglieder alle Betroffenen isolierten. Einer der Kranken hatte sich das Virus im Scarborough Grace Hospital in Toronto geholt, dem Seuchenherd für den gesamten Bundesstaat Ontario. Er steckte 17 Mitglieder seiner Familie an, er selbst und seine Frau sind mittlerweile gestorben. Trotzdem war nur einer seiner beiden Söhne unter Quarantäne gestellt worden. Während die Behörden Mühe haben, der Seuche Herr zu werden, reagieren immer mehr Institutionen auf die Gefahr.

Weil die Kirchen befürchtet hatten, dass durch die große Ansammlung von Menschen bei den Oster-Gottesdiensten die Krankheit verteilt werde, hatten Mediziner und Kirchenführer alle aufgefordert, die auch nur an geringstem Fieber oder an Kopfschmerzen litten, zu Hause zu bleiben.

Die Kirchen in Toronto hatten zudem ihre Osterrituale geändert. Das Küssen des Kreuzes war ebenso verboten wie die traditionelle Umarmung oder das Teilen des Weinbechers.

Unternehmen in Toronto empfehlen ihren Angestellten mittlerweile, dem Büro fern zu bleiben. Meetings werden verschoben oder finden als Telefonkonferenzen statt.

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