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Spiel mit den Geschlechterrollen. Andrej Pejic, Serbe aus Bosnien, Superstar der Modebranche.

© dpa

Transgender: Der Mann als Frau

Andrej Pejic ist der Star der Modewelt – er sticht als Frau alle Models aus. Zugleich ist er das Gesicht einer Bewegung, die für die Freiheit all derer eintritt, die ihre eigene Geschlechtsidentität zwischen Frau und Mann sehen.

Von Andreas Oswald

Eigentlich hätte niemand etwas gemerkt. Da lief eines der schönsten Models der Haute Couture über den Laufsteg, für Jean Paul Gaultier, das war vor einem Jahr. Das Model trug ein Hochzeitskleid. Ausgerechnet. Der Auftritt war eine Sensation. Bestimmt eine kalkulierte. Die betörende Frau im Hochzeitskleid war ein Mann. Sein Name ist Andrej Pejic, ein in Bosnien geborener Serbe. Er ist seither der Star der Modewelt. Nicht nur, weil sie Sensationen braucht. Dieses Model ist betörend, gerade weil es das Weibliche wie selbstverständlich darstellt und gleichzeitig den leisen Zweifel bewusst zulässt.

Damit steht Andrej Pejic als Superstar für eine von vielen gewünschte Revolution, in der sich die Geschlechterrollen auflösen, in der die strenge Trennung von Mann und Frau aufgehoben ist. Die mit Eifer ausgetragene Debatte, in welchem Maße das Geschlecht eines Menschen genetisch oder kulturell bestimmt wird, löst bei manchem Stirnrunzeln aus. Und wer die frühe Drag-Queen-Bewegung mitgemacht hat oder Fan des Glam-Rock in den 70er Jahren war, winkt möglicherweise müde ab, weil das Spiel mit Geschlechterrollen wahrlich nicht neu ist.

Zwei Dinge sind jetzt neu. Die Debatte um Geschlechterrollen hat die spielerische Ebene längst verlassen und ist zu einer so ernsten Sache geworden, dass die UN Deutschland sogar abmahnen können. Auch in der Mode hat es das Spiel mit der Androgynität immer wieder gegeben, aber jetzt scheint die Branche ernst zu machen. Davon zeugen die immer häufigeren Unisex-Kollektionen. Andrej Pejic steht wie kein anderer für den ganzen Trend. Zunächst konnte man den Eindruck gewinnen, die Designer würden ihn benutzen, um den Streit um Magersucht zu eskalieren. Keine noch so magersüchtige Frau schafft es, mit Brust und Hüften eines Andrej Pejic zu konkurrieren. Sind Männer die besseren Frauen?

Nach der ersten Sensation, dass hier ein Mann weibliche Models aussticht, kam das wichtigere Thema auf. Pejic trat als ein elfenhaftes Wesen auf, das tatsächlich zugleich Mann und Frau zu sein schien. Trägt er Frauenmode, spielt er zugleich eine Spur Männliches mit, trägt er eine eher männliche Frauenmode, betont er das weibliche. Und dann wird er manchmal ganz direkt. Mit femininem Gesicht zeigt er offen seine Brust. Da verschwimmt in der Tat jede Geschlechterrolle. Es scheint, als ob die Mode die Führerschaft in einem Trend übernommen hat. Jeder Trend braucht ein Gesicht. Andrej Pejic eignet sich gut dafür. Er hat sich nie als Transvestit verstanden, nie als Drag-Queen. Er lehnt es ab, als Mann eine stereotype Frauenrolle zu spielen, eine übertriebene gar. In ihm ging die Frauenrolle auf, sie ist Teil von ihm.

Viele biologische Männer, die sich als Frau fühlen, lassen sich umoperieren. Für Pejic kommt das nicht in Frage. „Ich fühle mich wohl, so wie ich aussehe und wie ich bin. Mein Wesen passt zu meinem Aussehen; das empfinde ich als großes Glück“, sagte er einmal. Er braucht die Operation nicht, um sich zu befreien, er steht dazu, als Frau in einem Männerkörper zu stecken und fühlt sich wohl dabei – eine neue Emanzipation.

Als Königin Elizabeth II. ihn beim Australienbesuch empfing, wusste sie, wer er war. Im Gegensatz zu anderen. Das Männermagazin „FHM“ ließ Leser abstimmen, welche der abgebildeten Frauen sie am meisten sexy finden. Aus Versehen war ein Foto von Andrej Pejic darunter, der Redakteur hatte nicht genau genug hingeschaut. Das Magazin musste sich später bei den Lesern entschuldigen. Andrej Pejic landete auf Platz 98. Das ist der Stand der Bewegung. Ob sie recht hat, ist unklar. Aber vielleicht gibt es dafür mal wieder einen langen Marsch.

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