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Tropensturm: Verwüstung auf den "Inseln des ewigen Frühlings"

Peter Feßner bekam die Wucht des Sturms am eigenen Leibe zu spüren. Als der Polizeibeamte aus Oldenburg und seine Frau auf den Balkon ihres Hotelzimmers in Puerto de Santiago auf Teneriffa traten, erwischte sie die Woge einer riesigen Welle.

Las Palmas/Madrid - «Dabei sind wir in der vierten Etage, und das Meer ist etwa 20 Meter entfernt!», berichtete der 59-Jährige am Dienstag. «Wir sind sofort ins Zimmer zurückgekehrt und haben notdürftig ein paar Sachen gepackt, falls wir das Hotel verlassen müssten.»

So weit sollte es letztlich doch nicht kommen. Während in den Stockwerken unterhalb Fensterscheiben zerbarsten und mehrere überflutete Zimmer geräumt werden mussten, gab es für die Feßners und andere Urlauber ein Abendessen im Kerzenschein - denn auch im Westen Teneriffas ließ der Tropensturm «Delta» die Lichter ausgehen. Selbst die älteren Insulaner hatten so etwas noch nie erlebt. «Ich habe Motorräder durch die Luft fliegen sehen», berichtete ein Rentner im Norden der Insel geradezu fassungslos. «Das war wie in den USA», pflichtete ihm ein Freund beim Anblick umgeknickter Strommasten und demolierter Autos bei. Tatsächlich erreichte «Delta» mit Böen von 120 Kilometern in der Stunde nahezu Hurrikanstärke. «Für diese Gegend ist das sehr ungewöhnlich», erklärten Meteorologen.

Freilich sind die Ausmaße der Katastrophe auf den Kanaren nicht mit denen des Hurrikans «Katrina» in Louisiana und Mississippi vergleichbar. Tod und Verwüstung brachte «Delta» aber auch den «Inseln des ewigen Frühlings», wie der Archipel wegen seines milden Klimas genannt wird.

Fast 20 Menschen starben, darunter 18 Afrikaner, die ihren Traum von einem besseren Leben in Europa in den Fluten vor Gran Canaria mit dem Leben bezahlten. «Ihr Boot wurde vom Meer geradezu verschlungen», sagte ein Sprecher des Seenot-Rettungsdienstes. Die Leichen von sechs der Flüchtlinge konnten geborgen werden, die Suche nach zwölf Vermissten wurde abgebrochen. «Es besteht keine Hoffnung mehr», hieß es. Auf den Kanaren selbst kam mindestens ein Mensch ums Leben: Ein 63-Jähriger stürzte tödlich, als er auf Fuerteventura das vom Sturm abgedeckte Dach seines Hauses reparieren wollte.

Dass nicht noch mehr Menschen zu Schaden kamen, lag auch daran, dass die Behörden rechtzeitig warnten. Sämtliche Schulen auf den sieben Inseln wurden geschlossen, die Bevölkerung wurde aufgerufen, die Häuser möglichst nicht zu verlassen und das Auto stehen zu lassen. Hunderte mussten dennoch die Nacht in Einkaufszentren oder Flughäfen verbringen. Die Nachrichten verfolgten viele angesichts der Stromausfälle wie anno dazumal mit Batterie betriebenen Transistorradios.

In Puerto de las Nieves im Nordwesten Gran Canarias standen derweil vielen Einwohnern die Tränen in den Augen. Denn die Wucht «Deltas» knickte den «Finger Gottes» (Dedo de Dios) um. So wurde ein 30 Meter hoher Basaltfelsen genannt, der wie ein gespreizter Finger vor der Küste aus dem Meer ragte. Das Naturmonument ziert nicht nur unzählige Postkarten und Urlauberfotos, es war auch ein Wahrzeichen der Kanaren. «Ich kann es nicht glauben, es ist einfach zerbrochen», beklagte Bürgermeister Antonio Calcines schockiert. (Von Jörg Vogelsänger, dpa)

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