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© dpa

Türkei: Marco - eine unendliche Geschichte

Nach zahlreichen Verzögerungen, Vertagungen und anderen Problemen wird der Strafprozess gegen den deutschen Teenager Marco W. im südtürkischen Urlaubsort Antalya an diesem Mittwoch voraussichtlich mit einem Urteil zu Ende gehen. Das letzte Wort wird das wohl trotzdem nicht sein.

Sowohl Verteidiger als auch die Nebenklage erwarten eine Entscheidung. Schon vor dem Urteil war aber absehbar, dass mit dem Urteil noch nicht das letzte Wort im Fall Marco gesprochen sein wird. Nach Ansicht von Prozessbeteiligten ist es sehr wahrscheinlich, dass das Verfahren vor dem türkischen Berufungsgerichtshof in Ankara landen wird. Ein höchstrichterliches Urteil wird wohl kaum vor Jahresende ergehen.

Bei der letzten Verhandlung im Juni hatte die Anklage eine Verurteilung von Marco W. wegen Vergewaltigung gefordert, was in seinem Fall auf bis zu acht Jahre Haft hinauslaufen würde. Der junge Mann soll im April 2007 die damals 13-jährige Britin Charlotte M. in einem Hotelzimmer in Side bei Antalya sexuell missbraucht haben. Marco, der zur fraglichen Zeit 17 Jahre alt war, wies die Vorwürfe von Anfang an zurück. Er gestand zwar intime Kontakte zu dem Mädchen ein, was nach türkischem Recht grundsätzlich eine Straftat ist. Marco argumentierte aber, Charlotte habe sich als 15-jährige ausgegeben.

Ausgerechnet die ihm Zuge der EU-Reformen modernisierten Strafgesetze der Türkei führten nach Prozesseröffnung zu schweren Vorwürfen an die türkische Justiz. Deutsche Politiker schalteten sich ein und forderten die sofortige Freilassung des Angeklagten. Dies wiederum wurde von der türkischen Seite zurückgewiesen. Marco Weiss blieb unterdessen in Untersuchungshaft in Antalya; er schilderte die acht Monate hinter Gittern später in einem Buch.

Der im Juni 2007 begonnene Strafprozess gegen den Deutschen kam nur langsam voran, vor allem weil dem Gericht keine offizielle Aussage von Charlotte vorlag: Das Mädchen war nach der schicksalsträchtigen Begegnung mit Marco nach Manchester zurückgekehrt und nahm nicht an den Gerichtsverhandlungen in Antalya teil. Auch die Ergebnisse einer am Morgen nach der fragliche Nacht vorgenommenen ärztlichen Untersuchung des Mädchens blieben umstritten.

Kurz vor Weihnachten 2007 setzte der Richter den deutschen Untersuchungshäftling auf freien Fuß. Marco flog umgehend nach Deutschland und hat seitdem keinen Fuß mehr auf türkischen Boden gesetzt. Auch die erwartete Urteilsverkündung an diesem Mittwoch dürfte er von Deutschland aus beobachten.

Marocs Anwälte wollen in der letzten Verhandlung Freispruch für ihren Mandanten beantragen. Nach Ansicht der Verteidiger hat die Anklage keine Beweise vorlegen können, die eine Schuld des jungen Deutschen belegen könnten. Nach dem Schlussort der Anwälte und einer kurzen Beratung dürfte der Vorsitzende Richter dann das Urteil sprechen.

Nach der Entscheidung dürfte dann rasch feststehen, ob der lange Rechtsstreit um den jungen Deutschen tatsächlich zu Ende ist. Wahrscheinlich ist dies nicht. Sollte Marco freigesprochen werden, werden Anklage und Nebenklage voraussichtlich den Ankaraner Berufungsgerichtshof anrufen. Bei einer Verurteilung Marcos wegen Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch dürfte die Verteidigung ihren Einspruch ankündigen.

Konkrete Auswirkungen für den Angeklagten hätte ein Schuldspruch allerdings nicht: Solange er nicht wieder in die Türkei reist, kann eine türkische Haftstrafe dem Deutschen nichts anhaben. Die deutsche Staatsanwaltschaft hatte ihre eigene Ermittlungen gegen Marco bereits vor Monaten eingestellt.

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