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Panorama: Türkischer Schnaps als tödliche Gefahr

23 Tote durch gepanschten Anis-Schnaps / Rückrufaktion für Raki-Flaschen

Istanbul - „Raki-Panik im Touristenparadies“, titelte eine türkische Zeitung, nachdem bei Razzien in Hotels und Restaurants der Tourismusstadt Alanya mehr als 100 Flaschen mit gepanschtem Anis-Schnaps gefunden wurden. Landesweit starben bisher 23 Menschen an dem hochgiftigen Gebräu, das in Originalflaschen abgefüllt wurde und somit von dem echten türkischen Nationalschnaps kaum zu unterscheiden ist. Weil niemand weiß, wie viele Flaschen mit dem Giftschnaps im Umlauf sind, zieht das Unternehmen Mey-Icki als Haupthersteller von Raki seit Mittwoch alle Dreiviertelliter-Flaschen der hochprozentigen Spirituose aus dem Verkehr.

Die ersten Opfer des „Todes-Raki“ waren vergangene Woche zu beklagen, als die Gäste eines Istanbuler Lokals reihenweise in die Krankenhäuser eingeliefert werden mussten. Einige kamen mit dem Leben davon, aber erblindeten. Sie wurden Opfer einer Bande, die im großen Stil den 45 Prozent starken Raki illegal brannte und billig verkaufte.

In einem Istanbuler Parkhaus hatte eine Bande den Raki illegal zusammengepanscht. Durch einen hohen Anteil von Methylalkohol wurde er lebensgefährlich und selbst einem der mutmaßlichen Täter zum Verhängnis.

Die Türken sind zwar Muslime, doch viele gönnen sich beim Abendessen oder beim Feiern einen Raki, der im Glas mit Wasser gemischt wird und so seine typisch milchige Farbe erhält. Der Raki-Skandal hat jetzt das ganze Land verunsichert. Inzwischen sucht die türkische Polizei im ganzen Land nach schwarz gebrannten Raki – und sie wird fast täglich fündig. Allein in der Provinzstadt Malatya wurden zwei Tonnen Schwarz-Raki sichergestellt. Anders als in Alanya, wo die Schwarzbrenner ihre Waren schon an die Hotels verkaufen konnten, verhinderte die Polizei im nahen Antalya die Verteilung von mehr als 4000 Flaschen „Todes-Raki“ im letzten Moment.

Um Verwechslungen zwischen dem echten Raki und dem lebensgefährlichen Schwarz-Schnaps zu vermeiden, tragen die neu gelieferten Raki-Flaschen des Unternehmens Mey-Icki goldene statt wie zuvor silberne Verschlusskappen. Das Unternehmen, das erst im vergangenen Jahr die Alkoholabteilung des früheren Staatsmonopolisten Tekel gekauft hatte, hofft auf neues Vertrauen der Kunden. „Seit einer Woche habe ich nichts mehr verkauft“, klagte ein Istanbuler Spirituosenhändler, als er am Mittwoch eine Ladung des neuen Raki entgegennahm. Laut Mey-Icki können Verbraucher ungeöffnete Raki-Flaschen in allen Verkaufsstellen gegen neue eintauschen. Eine solche Rückruf- und Umtauschaktion hat es in der Türkei noch nie gegeben. Nach Presseberichten geht es um rund fünf Millionen Flaschen.

Die Frage nach den Ursachen des Skandals war für die meisten Türken schnell beantwortet. Insgesamt acht Preiserhöhungen für Raki innerhalb von drei Jahren haben einen Markt für billige Schwarz-Ware geschaffen. Der islamisch geprägten Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wird vorgeworfen, aus religiösen Gründen die Steuern auf Alkohol immer weiter angehoben und so den Raki-Skandal mitverschuldet zu haben. Das Finanzministerium in Ankara bestreitet das: Die türkischen Alkoholsteuern lägen weiterhin unter dem EU-Durchschnitt.

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