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Noten sind in der juristischen Profession alles.

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Überraschendes Geständnis: Examen gegen Bargeld: Ein Richter vor den Trümmern seines Lebens

Ein deutscher Richter, der mit einer Waffe im Gepäck und einer Prostituierten an seiner Seite auf der Flucht gestellt wird. Dieser Fall hat für Aufsehen gesorgt. Nun gab der Mann ein Geständnis ab.

Bislang hatte der Angeklagte keine Emotionen gezeigt, doch jetzt ist das ganz anders. Er ist den Tränen nahe, räuspert sich mehrfach. Es geht um den Rest seines Lebens, beruflich und privat. Der 48-Jährige auf der Anklagebank des Lüneburger Landgerichts ist selber Richter, die Vorwürfe sind beispiellos. Als Referatsleiter des Landesjustizprüfungsamtes soll er Referendaren Lösungen für das zweite Staatsexamen angeboten und auch verkauft haben. Bis zu 20 000 Euro hat er laut Anklage gefordert. Die Prüfungen entschieden über die berufliche Zukunft von Juristen. Doch jetzt geht es um seine eigene. Bis zu zehn Jahre Haft drohen ihm.

„Ich möchte Angaben zur Sache machen“, beginnt der Jurist am Dienstag ein wenig trocken, am Ende wird er fast eine Stunde sprechen. Am dritten Tag des geplanten Mammutprozesses legt der Familienvater aus Lüchow-Dannenberg ein Geständnis ab, umfassend gibt er Auskunft, Fragen der Kammer will er aber nicht beantworten. Immer wieder nimmt er einen Schluck aus der Wasserflasche, die vor ihm auf dem Tisch steht. „Ich möchte die Verantwortung für mein Handeln übernehmen“, sagt er. „Das war der größte Fehler meines Lebens.“ Der Jurist trägt einen grauen Anzug und ein blaues Hemd, auf eine Krawatte hat er wieder verzichtet. An den ersten beiden Tagen hat er seltsam unberührt gewirkt, fast gleichgültig. Groß gewachsen, mit Vollbart und Lesebrille - kaum vorstellbar, unter welchen Umständen dieser Mann Ende März in Mailand verhaftet wurde. Bei sich hatte er da 30 000 Euro in bar, eine geladene Pistole und eine Prostituierte - das sorgte für Schlagzeilen, deutschlandweit. Die Waffe war mit vier Patronen geladen, 43 weitere hatte der Richter damals im Gepäck.

Immer wieder entschuldigt er sich bei seiner Ehefrau

Nur Details der Anklage korrigiert er, immer wieder unterbrochen von Entschuldigungen bei seiner Ehefrau, den betroffenen Referendaren und den früheren Kollegen. „Ich weiß, dass diese Fehler nicht wieder gut zu machen sind“, sagt er. Er habe den Nachwuchsjuristen helfen wollen, für die es nach jahrelangem Studium meist im zweiten Anlauf um Alles ging. Ein Großteil der Betroffenen hat Migrationshintergrund. Gerade für diese Menschen sei die Prüfung besonders schwer, sagt der Angeklagte. Auch habe er mit dem Geld seine Frau absichern wollen - doch nicht nur da sind seine Worte kaum zu verstehen, mehrfach bricht ihm kurz die Stimme.

Mit einer der Referendarinnen habe er eine intime Beziehung gehabt, räumt der Angeklagte ein. „Sie ist außergewöhnlich attraktiv und charmant“, beschreibt er die alleinerziehende Mutter. Auch ihr habe er Lösungen zukommen lassen - ohne Bezahlung. Die Vorwürfe seien auch hier „vollumfänglich zutreffend“, sagt er dann, wieder ganz Jurist.

Jörg L. vor Gericht.
Jörg L. vor Gericht.

© dpa

Als sich die Geliebte im Februar 2014 von ihm trennte - „am Valentinstag“, wie er betont - sei für ihn alles zerbrochen. „Ich wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis meine Taten auffliegen würden“, sagt er. „Ich fühlte mich ausgebrannt.“ Bei der Trennung hatte sich der seit Monaten bestehende Verdacht in punkto undichte Stelle in der Behörde längst auf den Referatsleiter konzentriert. Das Handy wurde überwacht, Büro und Wohnung wurden durchsucht. „Ich bin dann völlig kopflos nach Italien gefahren und wollte mir das Leben nehmen“, sagt er, dann wieder eine kurze Pause.

„Das wird das Verfahren drastisch verkürzen“

„Ich weiß, dass diese Fehler nicht wieder gut zu machen sind“, sagt er rund zehn Monate später an diesem bedeckten Wintertag in Lüneburg. „Das wird das Verfahren drastisch verkürzen“, sagt Gerichtssprecher Volker König nach dem wohl strafmindernd wirkenden Geständnis.

Seine Frau habe ihm verziehen, sagt der Angeklagte. „Ich habe unglaublich großes Glück, dass sie zu mir steht.“ Die Vorsitzende Richterin hat es in der Woche zuvor abgelehnt, ihn aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Es bestehe weiter Fluchtgefahr, eine Zukunft als Richter oder Anwalt sei ihm bei einer Verurteilung verwehrt, sagt sie. Über die Folgen seines Tuns war sich der 48-Jährige schon bei der Flucht nach Italien bewusst, wie er selbst sagt: „Mir war klar, dass ich vor dem Scherbenhaufen meines Lebens stehe.“ dpa

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