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Viele Dörfer sind völlig überschwemmt.

© dpa

Überschwemmungen in Myanmar: Die Macht der Fluten

Myanmar erlebt eine folgenschwere Naturkatastrophe. Von den Überschwemmungen sind rund 300 000 Menschen betroffen. Auch auf die Wahlen wird dieser Ausnahmezustand Auswirkungen haben.

Die Lady macht immer eine gute Figur. Selbst mitten in den braunen Fluten von Bago wirkt Birmas Demokratie-Ikone Aung San Suu Kyi in ihrem traditionellen Dress wie eine ungekrönte Königin, als sie in einem kleinen Boot durch die überfluteten Straßen gleitet. Rund 300 000 Menschen sind bereits Opfer der dieses Jahr unerhört schweren Monsunregen und des Wirbelsturms Komen, der vergangenen Freitag das Land traf.

Zwölf der 14 Gliedstaaten und Divisionen sind zu Katastrophenzonen erklärt worden. Nach mehr als zwei Wochen Regen stehen weite Teile des Landes unter Wasser, mancherorts sollen ganze Dörfer weggeschwemmt worden sein, ebenso Reisfelder, Straßen, Schulen. Bilder zeigen Familien zusammengekauert in ihren Hütten, das Wasser nur noch Zentimeter unter dem Holzboden, zerstörte Aufnahmelager für Muslime im Rakhine-Staat.

Birma, das seit Militärzeiten wieder seinen Namen Myanmar führt, ist schlecht erschlossen. Orte sind selbst für bestens vernetzte einheimische Organisationen nicht einfach zu erreichen. Bisher ist von weniger als 100 Toten die Rede. Beobachter bezweifeln das allerdings stark, nicht nur wegen der schlechten Informationslage. Sie glauben, dass die Regierung auch kein Interesse daran hat, dass ihr Land wieder mit hohen Opferzahlen in Verbindung gebracht wird.

Erinnerungen an den Zyklon Nargis werden wach. Der verheerende Wirbelsturm kostete 2008 rund 140 000 Menschen das Leben. Die damals regierende Junta lehnte wochenlang jede internationale Hilfe ab, tat selbst aber auch nicht viel. Ausländer waren im Irrawaddy- Delta mit seiner bitterarmen Bevölkerung unerwünscht. Am Donnerstag forderte die Regierung die Menschen im Delta nun auf, sich vor den kommenden Wassermassen in Sicherheit zu bringen.

Inzwischen hat die Regierung ein ziviles Antlitz, auch wenn sie vor allem aus Ex-Militärs besteht. Das Land hat eine atemberaubende Öffnung erlebt, ist aber von Demokratie noch weit entfernt. Im November soll gewählt werden, diesmal tritt auch Suu Kyis NLD an, die die dubiosen Wahlen 2010 boykottierte, bei Nachwahlen nach ihrer Freilassung fast alle Mandate holte.

Bitte um Hilfe aus dem Ausland

Aung San Suu Kyi ist noch immer der Liebling der Massen. Doch sie weiß, wie gefährlich die Situation mit der Flut auch für sie ist. Die Katastrophe wird Spuren hinterlassen. In Bago buhlen ihre Partei und die der Ex-Militärs, die USDP, um Wähler. Im ganzen Land ist noch gut in Erinnerung, dass sich die Junta 2008 kurz nach Nargis in einem Referendum eine neue Verfassung bestätigen ließ, die Suu Kyi bis heute dicke Steine auf dem Weg zur Macht in den Weg legt.

Auch daran erinnerte die Lady, die so lange in Gefängnis und Hausarrest saß, als sie sich am Donnerstag per Video an die Welt wandte und um „sorgfältig koordinierte“ ausländische Hilfe über die Notfallwochen hinaus warb. Das sei gerade mit Blick auf die Wahlen sehr wichtig: „Die Wahlen sind ein historischer Wendepunkt für unser Land“, und sie sollten so fair und frei ablaufen, wie sie sein sollten. Dieses Desaster dürfe nicht ähnliche politische Folgen haben wie Nargis.

Die Regierung versucht derweil, nicht die Fehler von damals zu wiederholen. Wohl auch, weil Präsident Thein Sein eine zweite Amtszeit anstrebt. Am Dienstag bat er um internationale Hilfe. Der Armeechef entschuldigte sich, als auf Facebook Bilder aufgeplatzter Reissäcke gepostet wurden, die aus seinen Hubschraubern abgeworfen worden waren.

Bloß nicht die gleichen Fehler

Inzwischen ist auch in Birmas Städten das Internet eine feste Größe. Diesmal organisieren die Menschen Hilfe über Facebook & Co., aber sie melden sich auch mit Kritik. Junge Leute sammeln an Kreuzungen für die Opfer. Aber sie schaffen es meist vor allem in die nähere Umgebung von Yangon hat die Leiterin des Büros der Naumann-Stiftung, Katrin Bannach, beobachtet: „Internationale Organisationen sollten diese lokalen Initiativen unterstützen und die Gelegenheit nutzten, die Kapazitäten dieser jungen Leute auszubilden.“ Auch ihre Partner, die eigentlich auf dem Land Wahlschulungen machen wollten, werden jetzt Wasser und Lebensmittel in die betroffenen Regionen bringen.

Doch selbst bestens im Land und mit internationalen Gebern vernetzte einheimische Organisationen haben es noch nicht überall hin geschafft. Und die Vorräte gingen zu Ende, berichtet der Geschäftsführer von Metta, Sai Sam Kham.

Auch der politische Comedian Zarganar und seine Freunde engagieren sich wieder. Mit Entertainmentshows spielten sie hunderttausende Dollar ein, berichtet er dem Tagesspiegel. Seine Kollegen reisen in die Krisengebiete, Freiwillige verteilen Reis, Öl, Trockenfisch, Bohnen, Taschenlampen, aber das reiche längst nicht. „Angesichts meiner letzten Erfahrungen gehe ich selbst nicht in die Flutgebiete“, sagt der prominenente frühere Dissident. Er wanderte für seine Kritik nach Nargis jahrelang im Gefängnis. Er sieht sehr genau, dass die Ex-Militärs jetzt die Bilder der Hilfe für sich zu nutzen suchen, es aber seit Nargis versäumt hatten, für einen solchen Fall Vorsorge zu treffen. Was er nicht sagt, ist, dass die Regierung für so genannte falsche Berichte auch diesmal ein Jahr Haft androht.

Die meisten Touristen werden weder davon noch von den Fluten viel mitbekommen. Alle beliebten Ziele könnten besichtigt werden, heißt es bei Exo Travel.

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