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Panorama: Überschwemmungen und Erdrutsche: Die Wucht der Natur

Carlo Piccoli hält den Zivilschutzhelfer so verkrampft am Arm fest, dass der die Schlauchbootsteuerung kaum betätigen und die fünf soeben Geretteten nur mit Mühe aus der Gefahrenzone bringen kann: Unmöglich für den 63-jährigen Rentner, die Augen von dem grauenhaften Schauspiel rund um sein bescheidenes Häuschen an der Provinzstraße von Ceriana nach San Remo abzuwenden. Außen herum gurgelt und platscht das seit Tagen überlaufende Wasser des Armea-Baches.

Carlo Piccoli hält den Zivilschutzhelfer so verkrampft am Arm fest, dass der die Schlauchbootsteuerung kaum betätigen und die fünf soeben Geretteten nur mit Mühe aus der Gefahrenzone bringen kann: Unmöglich für den 63-jährigen Rentner, die Augen von dem grauenhaften Schauspiel rund um sein bescheidenes Häuschen an der Provinzstraße von Ceriana nach San Remo abzuwenden. Außen herum gurgelt und platscht das seit Tagen überlaufende Wasser des Armea-Baches. Da es nur kniehoch steht, sieht es eigentlich gar nicht so gefährlich aus. Doch aus den Erdgeschoss-Fenstern des Hauses von Carlo Piccoli stürzt braunes Wasser, wie bei einer kleinen Staustufe. Es dringt vom Hang auf der Rückseite des Hauses in die Räume ein, füllt diese und sucht sich dann seinen Weg nach außen.

Der Zivilschutzmann macht eine kaum merkliche Kopfbewegung zu Frau Piccoli hin, und sie versteht: mehr als ein paar Minuten wird das Gebäude nicht mehr halten. Tatsächlich bricht eine der Vordermauern nun wenige Minuten, nachdem es gelungen war, das Schlauchboot außer Reichweite zu bringen, krachend zusammen.

Zum dritten Mal innerhalb von nur zwei Monaten hat es Ligurien voll erwischt, vier Todesopfer sind diesmal bereits in den ersten beiden Tagen zu beklagen. Überall brechen Muren von den Hängen herunter, Bäche haben sich in reißende Ströme verwandelt. Hintergrund ist eine seit mehreren Wochen anhaltende Wetterlage über Europa, die einerseits vergleichsweise milde Temperaturen, aber auch Überflutungen bringt. Davon sind vor allem Italien, aber auch Großbritannien und Frankreich betroffen, während Deutschland weitgehend verschont bleibt.

Mehr als 600 Liter Wasser sind pro Quadratmeter gefallen, weit mehr als das Dreifache der Durchschnittswerte der letzten dreißig November. Nahezu sämtliche wichtigen Verkehrsadern durch die Region sind unterbrochen, von der Eisenbahn bis zur altehrwürdigen Via Aurelia.

Immer weniger wollen sich die Menschen hier mittlerweile noch auf Vorwürfe einlassen, wonach die Desaster vor allem vom unvernünftigen Bauen und der Landschaftszerstörung durch Fremdenverkehr und gedankenlosem Abholzen kommt: "Solche Wassermengen wie diese hier", meint auch ein Geologe vom Umweltschutzministerium in Rom, "hatten wir noch nicht und hatten wir auch nicht vorausgesehen." Allerdings sei das "im Grunde auch nicht mehr so richtig zu verstehen, warum wir nicht vorgebaut haben - seit Jahren warnen wir doch selber vor der Klimakatastrophe, die sich genau mit Phänomen wie riesigen Stürmen und mächtigen Regengüssen zeigen sollte".

Aber, so der Experte, "im Grunde haben wir heimlich doch geglaubt, die Gefahr sei noch weit entfernt." Für Carlo Piccoli und seine Frau ist das kein Trost. Der Rentner aus Ceriana bringt die Katastrophe auf einen einfachen Nenner: "Die Wut der Natur kennt keine Grenzen mehr."

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