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Panorama: Um den Nordpol herum

Erstmals sind beide Passagen nach Asien befahrbar

Es ist eine Sensation, was Bremer Forscher am Mittwoch verkündeten. Erstmals, seit Menschen sich erinnern können, sind am Nordpol sowohl die Nordwest- wie auch die Nordostpassage befahrbar. Schiffe können den ganz kurzen Weg von Europa nach Ostasien nehmen.

Es ist zwar eine Sensation, aber keine gute Nachricht. Das Eis am Nordpol schmilzt dramatisch. Das zeigen die tagesaktuellen Karten aus dem Institut für Umweltphysik der Bremer Universität. Das Eis ist in den letzten Tagen so weit abgeschmolzen, dass Schiffe von Europa an Skandinavien und Sibirien vorbei nach Japan und China fahren können. Auch auf der anderen Seite blockiert das Eis nicht mehr vollständig die Route von New York an der Nordküste Kanadas vorbei nach Tokio oder Südkorea. Für Reedereien sind das gute Nachrichten, weil diese Routen viel kürzer und damit billiger sind als die übliche Fahrt in den Süden durch den Panama- und den Suezkanal. Der Treibhauseffekt treibt zwar Klimaforschern Sorgenfalten auf die Stirn, öffnet aber Wirtschaftsunternehmen neue Möglichkeiten.

Allerdings gilt das nur für den Sommer, erklärt Georg Heygster vom Bremer Institut für Umweltphysik, der jeden Tag eine aktuelle Weltkarte über das Eis auf den Meeren veröffentlicht. Bessere globale Eiskarten gibt es nirgends, auch der deutsche Forschungseisbrecher „Polarstern“ navigiert mit dieser Hilfe zurzeit im hohen Norden. In der Polarnacht friert im Winter das Wasser im Nordpolarmeer rasch zu einer mehrere Meter dicken Eisdecke. Im März schwimmt dann auf 15 Millionen Quadratkilometern und damit mehr als der dreifachen Fläche der Europäischen Union eine fast geschlossene Eisschicht. Im Frühjahr und Sommer greifen Sonne und warme Winde das Eis an, bis es im September auf gut die Hälfte der maximalen Ausdehnung im März schmilzt. Seit den 70er Jahren beobachten Satelliten die Eisdecke der Arktis und messen in jedem Jahrzehnt weniger Eis. Obendrein scheint der Klimawandel das große Schmelzen seit der Mitte der 90er Jahre noch zu beschleunigen. Im Vierteljahrhundert zwischen 1979 und 2004 schrumpfte das Sommereis über dem Nordpolarmeer jedenfalls in jedem Jahrzehnt um 7,7 Prozent.

Genau wie über Mitteleuropa ist aber auch über dem Nordpolarmeer das Wetter recht veränderlich. Blasen dann wie 2007 kräftige Südwinde warme Luft vom Pazifik direkt auf das Eis, schmilzt die weiße Decke stärker als in Jahren mit nur schwachen Südwinden. Diese Abhängigkeit vom Wetter aber erschwert Prognosen enorm. 2007 war zum Beispiel die Nordwestpassage von New York an der kanadischen Nordküste vorbei nach Japan und China weitgehend eisfrei. Während Schiffe von Rotterdam nach Tokio durch den Panamakanal normalerweise 23 300 Kilometer fahren müssen und durch den Suezkanal immer noch 21 100 Kilometer vor sich haben, verkürzt die Nordwestpassage die Verbindung auf nur noch 15 900 Kilometer. Jeder Schiffskilometer weniger aber bedeutet weniger Treibstoffkosten und kürzere Transportzeit, die Nordwestpassage spart also den Reedern viel Geld.

Noch kürzer wird die Strecke Tokio– Rotterdam mit 14 100 Kilometern durch die Nordostpassage entlang der Küste Sibiriens. Dort aber gab es auch im Sommer 2007 eine Eiszunge, die vom Nordpol bis zum hohen Norden Sibirien an der Taimyrhalbinsel reichte und diese Route blockierte. 2008 aber ist alles anders, seit dem 25. August sind die Nordwest- und die Nordostpassage gleichzeitig offen. Bevor bei den Reedern allerdings die Sektkorken knallen, gibt es auch noch einen Wermutstropfen. Die eisfreie Zeit lässt sich auf beiden Routen langfristig nicht präzise vorhersagen. Allenfalls zwei Monate im Jahr werden die beiden Passagen in den nächsten Jahrzehnten frei sein. Das ist für Reedereien zu kurz und zu unsicher, um die ganze Jahresplanung umzustellen.

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