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Da westliche Journalisten nicht nach Syrien einreisen dürfen, ist die Nachrichtenlage unübersichtlich. Die UN spricht jetzt von "einer neuen Stufe der Gewalt", die Opferzahlen steigen.

© dpa

Aufstand in Syrien: UN sieht „alarmierende Gewalt“ in Syrien

Die UN und US-Außenministerin Clinton kritisieren die Gewalt in Syrien. Die Bundesregierung warnt jedoch vor dem Ruf nach einer Militärintervention gegen das Regime.

Die Gewalt des syrischen Regimes gegen das eigene Volk hat nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) eine neue Dimension erreicht. Seit Beginn des Konflikts seien mehr als 1500 Zivilisten getötet worden, sagte der Vize der politischen Abteilung der UN, Oscar Fernandez-Taranco, am Montag in einer von Deutschland beantragten Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Allein der Militäreinsatz am Sonntag in der Stadt Hama habe nach glaubwürdigen Berichten bis zu 140 Menschen das Leben gekostet. Fernandez-Taranco sprach von einer „alarmierenden Eskalation“.

Das Militär schieße wahllos auf Zivilisten, sagte der Argentinier nach Angaben westlicher Diplomaten. Mehr als 12 000 Menschen seien inzwischen von Militär und Geheimdiensten als politische Gefangene inhaftiert worden. Mindestens 3000 Menschen seien verschwunden - darunter selbst Kinder.

Die brutale Militäroffensive ging am Montagabend nach Angaben von Aktivisten weiter. In Hama wurden mindesten zwei Menschen getötet. Dutzende seien verletzt worden. Der heftige Beschuss habe nach den Abendgebeten begonnen. Zuvor hatten Aktivisten bereits von sechs Toten in Hama berichtet. In Hama waren am Sonntag nach Angaben von Oppositionellen 97 Menschen erschossen worden. In Deir al-Zor und in der Ortschaft Albu Kamal kamen am Montag je ein Mensch ums Leben.

US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilte die jüngste Gewalt der syrischen Regierung gegen das eigene Volk scharf. Die Offensive „unterstreicht erneut die Brutalität und Bösartigkeit“ des Regimes von Präsident Baschar al-Assad, erklärte sie am Montag (Ortszeit) in Washington. Der Staatschef sorge mit seinem Vorgehen dafür, „dass sein Regime Teil der Vergangenheit ist, während das syrische Volk seine Zukunft selbst bestimmt“. Clinton rief die internationale Gemeinschaft auf, sich hinter die Menschen in Syrien zu stellen.

Mit dem jüngsten Vormarsch will das Regime, das seit mehr als vier Monaten durch landesweite Massenproteste bedrängt ist, aus Sicht von Beobachtern wieder die Initiative an sich reißen. Für den Ramadan hatte die Opposition verstärkte Aktivitäten angekündigt.

Assad rühmte indes die syrische Armee dafür, dass sie „ihre Loyalität zu ihrem Volk und Land bewiesen“ hätte. „Syrien ist dazu fähig, das neue Kapitel der Verschwörung durch die Wachsamkeit seines Volkes und durch nationale Einheit zu ersticken“, zitierte ihn die staatliche Nachrichtenagentur Sana am Montag mit einer Rede zum Tag der Armee.

Lesen Sie was die EU und die Bundesregierung zu Syrien zu sagen haben.

Indes verschärfte die EU nach dem Massaker von Hama ihre Sanktionen gegen die Assad-Regierung. Fünf weitere Namen wurden auf eine Liste von bisher 30 Personen mit Einreiseverbot genommen, teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Montag in Brüssel mit. Von diesen 35 Repräsentanten des Assad-Regimes wurde auch das in der EU befindliche Vermögen eingefroren.

Außerdem hat Syriens Verteidigungsminister General Ali Habib Mahmoud ab sofort Einreiseverbot in der Europäischen Union. Mahmoud gehört zu jenen fünf Personen, die am Dienstag zusätzlich in die Sanktionsliste der EU gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad aufgenommen wurden. Dies geht aus der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt hervor. Mit ihr wurde die am Vortag mitgeteilte Verschärfung der Sanktionen wegen der Gewalt des Regimes gegen Oppositionelle rechtskräftig.

Nach der Hinzufügung von fünf Namen haben insgesamt 35 Führungsgestalten der Assad-Regierung nicht nur Einreiseverbot für die EU. Sofern sie Vermögenswerte in der EU haben, werden diese auch eingefroren. Außerdem hatte die EU bereits im Juni auch vier Unternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt: EU-Firmen dürfen mit ihnen keine Geschäfte mehr machen.

Verteidigungsminister Mahmoud ist nach Assad, Vizepräsident Faruk al-Scharaa und Innenminister Mohammad Ibrahim Al-Schaar das vierte Regierungsmitglied in der Verbotsliste der EU. Mahmoud wird vorgeworfen, hauptverantwortlich für das brutale Vorgehen der Armee gegen Oppositionelle zu sein. Bei den anderen vier neuen Namen auf der Sanktionsliste handelt es sich um zwei Leiter von Geheimdienstabteilungen, einen Onkel von Präsident Assad und um einen Vertrauten des Assad-Sohns Mahir al-Assad, der unter anderem die Präsidentengarde befehligt.

Das Außenamt hat vor dem Ruf nach Militärintervention in Syrien gewarnt. Die Lage sei eine andere als etwa in Libyen, verdeutlichte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“. „Bei Libyen hatten wir einen Beschluss der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga - hier haben wir beides oder Vergleichbares nicht. Und hier haben wir eine Konfliktsituation, die das Potenzial einer sehr große Ausweitung hat. Deshalb sollte man da sehr, sehr vorsichtig sein.“ Zudem habe die syrische Opposition darum gebeten, nicht über militärische Eingriffsmöglichkeiten zu sprechen, um nicht dem Regime in die Hände zu spielen, das behaupte, der Widerstand sei eine von außen gesteuerte Operation, die nicht aus dem Volk komme, sagte Hoyer.

Er rief zu einer breiten internationalen Unterstützung für alle sonstigen Maßnahmen gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad auf. „Alle Maßnahmen haben umso mehr Wirkung, je mehr sich beteiligen.“ Deutschland beziehe ein Prozent seines Öls aus Syrien. Wenn das gestoppt werde, erziele das „überhaupt keine Wirkung“. „Aber wenn das alle machen, und die das Zeug nicht loswerden können, egal wo in der Welt, dann hat das eine große Wirkung.“ (dpa)

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