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Panorama: Und wieder bebt die Erde

Mehrere Todesopfer im Norden Italiens.

Rom - „Wir haben die Ärmel hochgekrempelt nach dem Beben vor neun Tagen. Es war so ein starker Wille da, bei allen von uns, gleich wieder loszulegen, uns wieder ins Spiel zu bringen.“ Alberto Silvestri, der Bürgermeister von San Felice, trägt eine dunkle Sonnenbrille. Nur wegen der Sonne? Oder damit man seine geschwollenen Augen nicht sieht?

San Felice sul Panaro hat an diesem Morgen schon wieder gebebt. Fast genauso stark wie beim ersten Mal. Und zu den Toten gehören jene, die ein Fabrikgebäude auf seine Stabilität untersuchen sollten. Just während dieser Prüfung stürzte das Gebäude zusammen. Es begrub einen Ingenieur und zwei Arbeiter unter sich. Vier Arbeiter sind schon beim Erdbeben am 20. März gestorben; am Dienstag zählte man 15 Tote, etliche Personen waren noch verschüttet. Um neun Uhr morgens hatte der Boden zwischen Modena und Ferrara wieder angefangen zu beben; doch es blieb nicht bei dem einen Stoß. In dichter Folge bebte die Erde weiter, den ganzen Tag lang, häufig genug mit Stärken von mehr als 5 auf der Richterskala. Die Beben diesmal waren in ganz Norditalien bis hinauf nach Österreich zu spüren. Noch in Mailand stürmten die Leute vor Angst auf die Straßen. Und im Zentrum des Bebens war die Zerstörungskraft offenbar größer als beim ersten Mal. Den mittelalterlichen Uhrturm in Finale Emiglia, dessen mittendurch gebrochenes Zifferblatt geradezu als Symbol für das erste Beben galt, den gibt es seit diesem Dienstag gar nicht mehr. In der Stadt Mirandola ist der Dom eingestürzt, in einer schon beschädigten anderen Kirche starb der Pfarrer, als er eine Marienstatue retten wollte. Viele angeknackste Bauten haben nunmehr den letzten, vernichtenden Stoß abbekommen.

Gut 5000 Arbeiter hatten nach dem ersten Beben ihre Beschäftigung verloren. Viele, die seither wieder angefangen hatten, ihre Werkstätten aufzuräumen, standen gestern trauernd vor ihren Fabrikgebäuden. Und es kam zu Phänomenen, die von den Leuten als gespenstisch empfunden wurden. Aus Rissen im Boden quollen Sand und Schlamm. Mancherorts taten sie es mit der Kraft von Geysiren, teilweise waren Muschelschalen drin, und sie hinterließen Landschaften, die aussahen wie nach einer Überschwemmung.

Geologen können das erklären. Dörfer in der südöstlichen Po-Ebene liegen auf altem Fluss-Schwemmland. Der wassergesättigte Kies- und Sandboden verstärkt die Erdbebenwellen; die Verschiebungen im Boden drücken Wasser und Sand nach oben – doch im Untergrund bleiben die Hohlräume; damit könnten Häuser, die jetzt noch intakt scheinen, nach und nach ins Rutschen geraten und versinken. Paul Kreiner

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