zum Hauptinhalt

Panorama: Unter Sprühern bewundert, von der Polizei verfolgt

Sie haben ganz London mit ihrem Schriftzug überzogen – nun steht die Graffiti-Gruppe vor Gericht

Für die einen sind sie Künstler, für die anderen eine malende Mafiagang. Neun junge Männer, die meisten 25 Jahre alt, müssen sich in London derzeit wegen Bandenbildung und Sachbeschädigung verantworten. Die Angeklagten, in Sprüherkreisen europaweit als DPM Crew bekannt, haben zugegeben, in ganz Großbritannien Züge, Bahnhöfe und Gleisanlagen bemalt zu haben. Auch auf Reisen hinterließ die Gruppe ihre Spuren in verschiedenen Farben, so etwa in Prag, wo sie einen Graffiti-Workshop leiteten. Meist handelt es sich dabei um Tags – Namenskürzel, die zur Kennzeichnung auch unter große Wandmalereien gesetzt werden. „DPM sind eine Legende, mutig und künstlerisch gut“, sagte ein Berliner Sprüher dem Tagesspiegel.

Zwei Jahre hatten die Ermittlungen gedauert. Die Beamten hatten Filmmaterial ausgewertet – in Großbritannien werden viele Bahnhöfe, Straßen und Privathäuser mit Video überwacht – , sich in Sprüherkreisen umgehört und die Verdächtigen observiert. Vier der Angeklagten wurden im Juni 2006 dann schließlich auf frischer Tat ertappt. „Sie dachten, sie wären unantastbar. Oft hatten sie sich vermummt und sind mit militärischer Disziplin vorgegangen. Sie dachten, man würde ihnen nichts nachweisen können“, teilte Chefermittler Michael Field mit.

Die Polizei geht davon aus, dass sie noch nicht alle Crew-Mitglieder gefunden hat. „Wir suchen weiter“, hieß es. Für den Zeitraum zwischen Januar 2004 und Juni 2006 werden den Angeklagten mehr als 120 Sachbeschädigungen zur Last gelegt. Die britische Bahn hat die Beseitigung der Schäden nach eigenen Angaben umgerechnet 750 000 Euro gekostet.

Der Kopf der Gruppe war nach Auskunft der britischen „Times“ Ende 2007 beim Fernsehsender BBC beschäftigt. Der 25-jährige Londoner habe sich dort nach einer Bewährungsstrafe unter falschem Namen beworben, hieß es. Sein Job: Die Drehkulissen der TV-Serie EastEnders mit Graffiti zu verzieren, um den Zuschauern eine realistische Kulisse zu bieten. Laut Drehbuch wohnen die Filmfiguren im Osten von London – Hauswände ohne Graffiti seien dort unglaubwürdig, entschied der Sender. EastEnders ist eine der erfolgreichsten Serien des britischen Fernsehens, zwischen 15 und 20 Millionen Menschen schalten pro Folge ein. Wie bei seinen nächtlichen Streifzügen hat der Angeklagte auch am Drehort seinen Schriftzug hinterlassen. In der Sprüherszene war man darüber offenbar höchst amüsiert.

Wie hoch die Strafen für die neun Angeklagten sein werden, ist ungewiss. In Großbritannien sind härtere Urteile als in Deutschland üblich. Schon Kinder können wegen „Herumlungerns“ verwarnt werden, Jugendhaft für Sachbeschädigungen ist keine Seltenheit. Ein Teil der verdächtigten Sprüher saß in der Vergangenheit schon im Gefängnis. Ob die Bahn Schadensersatz verlangen wird, ist bislang nicht bekannt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false