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Maya-Ruinen in Belize. Wie dieser Tempel in Xunantunich sind die Reste der alten Kultur unschwer als solche zu erkennen.

© Mark Large, picture alliance / empics

Tempelschändung in Belize: Maya-Gebäude wird für den Bau einer Straße zerstört

Arbeiter suchen in Belize beim Bau einer Straße nach Füllmaterial – und tragen einen uralten Tempel ab.

Manche Menschen haben einen sehr praktischen Bezug zur Geschichte. Sie ist für sie nur ein Haufen Steine, aus dem man sich bei Bedarf bedienen kann. Das begann schon mit den spanischen Eroberern Mexikos: Sie benutzten den großen Azteken-Tempel von Tenochtitlan einfach dazu, um die heutige Kathedrale von Mexiko-Stadt zu errichten. Eine ganz ähnliche Haltung haben nun Arbeiter im zentralamerikanischen Belize bewiesen, als sie einen uralten Maya-Tempel mit Bulldozern und Baggern abtrugen, um Material für den Bau einer Straße zu gewinnen.

Der Tempel mit dem Namen Noh Mul, was wörtlich „Großer Hügel“ bedeutet, ist 2300 Jahre alt und überragt majestätisch eine flache Graslandschaft in der Nähe des Ortes Douglas Village im Orange Walk District an der Grenze zu Mexiko. Nun gleicht er einem gigantischen Termitenhügel. Der Boden um das Bauwerk ist mit Tonscherben übersät. Bagger stehen noch mit ausgefahrenen Schaufelarmen davor, doch der Abbruch wurde mittlerweile gestoppt. Archäologen hatten Alarm geschlagen und die Polizei gerufen.

Maya-Tempel ist nicht mehr zu retten

Die mehr als 30 Meter hohe Tempelstätte war zwar nur mit Gras bewachsen und nicht zu vergleichen mit anderen, besser erhaltenen Maya-Orten in Guatemala, Honduras oder Süd-Mexiko. Dennoch hätte den Arbeitern aufgrund der einzigartigen Form und Lage des Hügels klar sein müssen, dass es sich um einen wichtigen historischen Ort handelte, sagten geschockte Wissenschaftler vom Nationalen Institut für Archäologie den örtlichen Medien. „Wann immer in dieser Landschaft eine solche Erhebung auftaucht, ist völlig klar, dass sie nur von Menschen gemacht sein kann“, erklärte der Archäologe John Morris vor Ort. „Es ist mit das Schlimmste, was ich in den vergangenen 25 Jahren in Belize gesehen habe. Noh Mul ist nicht mehr zu retten. Es ist ein unglaubliches Zeugnis der Ignoranz. Ich bin angewidert und sprachlos“, sagte Morris. Der Chef des Archäologischen Instituts, Jaime Awe, fügte hinzu: „Die Typen wussten, dass es sich um ein altes Bauwerk handelte. Sie waren einfach zu faul.“

Verantwortlich für den Abriss ist die Baufirma D-Mar Construction. Deren Chef Denny Grijalva, ein aufstrebender Regionalpolitiker, sagte, dass er nichts von den Arbeiten gewusst habe, und schob die Schuld auf seinen Vorarbeiter. Der war jedoch verschwunden. Offenbar wollten die Arbeiter aus dem Noh-Mul-Tempel Kalkstein und Kies schlagen, um sie als Füllmaterial beim Straßenbau zu verwenden. Die Polizei untersucht nun die Tempelschändung und hat angedeutet, dass der Firma D-Mar Construction eine Strafverfolgung droht.

Historische Bauwerke der Maya werden als Steinbrüche benutzt

Der Tempel von Noh Mul ist Teil einer fast 20 Quadratkilometer großen untergegangenen Maya-Siedlung. Es wird geschätzt, dass dort einst 40 000 Menschen lebten. Sie verließen die Anlage im fünften nachchristlichen Jahrhundert; zwischen dem siebten und dem zehnten Jahrhundert war sie jedoch erneut besiedelt. Auf der Fläche finden sich rund 80 verschiedene historische Maya-Gebäude, doch der zentrale und namensgebende Bau war Noh Mul. Der Tempel wurde von den Maya einzig mit Werkzeugen aus Stein und Holz errichtet. Der größte Teil der archäologischen Ausgrabungen fand in den siebziger und achtziger Jahren statt, umfasste jedoch nur einen kleinen Teil von Noh Mul.

Dass die historischen Bauwerke der Maya, insbesondere in Belize, bis heute als Steinbrüche benutzt werden, ist ein offenes Geheimnis. Allerdings werden selten solch bedeutende Stätten wie Noh Mul in Mitleidenschaft gezogen. Zuletzt geschah dies 2005 im nahen San Estevan, als Bulldozer ein mit Scherben übersätes Terrain zurückließen. Der New Yorker Archäologe Robert Rosenswig, der damals die Zerstörung untersuchte, kommentierte nun den Fall Noh Mul lakonisch: „Der Vorteil der massiven Zerstörung ist, dass wir jetzt einen Blick ins Innere des Hügels bekommen.“

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