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Urteil: Autoritätsverlust: Streng religiöser Vater ermordet Sohn

Mit dem größten Küchenmesser, das er finden konnte, hat er seinen Sohn erstochen. Grund für die Tat war die zunehmende Auflehnung des Jungen gegen die Autorität des Vaters. Der Mann hat seine Kinder stets zu absoluter Religiosität angehalten.

Möglicherweise erkennt er nur Gott als seinen Richter an. Das Urteil der weltlichen Gerichtsbarkeit lässt den 60-Jährigen jedenfalls äußerlich kalt. Wegen Mordes an seinem Sohn hat das Lübecker Landgericht den streng religiösen Mann aus Ratzeburg (Schleswig-Holstein) zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte zugegeben, den 22-Jährigen im Oktober 2006 nach einem Streit mit einem Küchenmesser von hinten erstochen zu haben. Das Motiv war nach Auffassung des Gerichts Angst vor dem Autoritätsverlust. Der Sohn habe sich gegen seinen Vater aufgelehnt, das sei mit dem patriarchialischen Weltbild des Mannes nicht zu vereinbaren gewesen, sagte der Vorsitzende Richter, Christian Singelmann, in der Urteilsbegründung.

Der 22-Jährige - das älteste von zwölf Kindern - hatte dessen naive Religiosität in Frage gestellt und sich auch schützend vor die Geschwister gestellt, wenn der Vater sie wegen banalster Vergehen verprügelte. "Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten" - mit diesem Vers aus dem Alten Testament begründete der pensionierte Bundespolizeibeamte auch vor Gericht seine Erziehungsmethoden. "Dass sein Sohn nicht alles eingesteckt und teilweise auch dagegengehalten hat, ist ihm letztlich zum Verhängnis geworden", sagte Singelmann.

Gott wird geben, was ihr euch wünscht

Es war ein strenges Regiment, das der Mann nach Aussagen von Zeugen zu Hause führte. Die Ehefrau, die in dem Verfahren als Nebenklägerin aufgetreten war, hatte bei der Erziehung nur wenig mitzureden. Für die Kinder waren Alkohol und Partys ebenso tabu wie Beziehungen zum anderen Geschlecht vor der Ehe. Seinem Ältesten hatte der Vater im Alter von 16 Jahren verboten, ein Mädchen mit nach Hause zu bringen. Den enttäuschten Sohn vertröstete er, er werde schon noch eine Jungfrau finden. "Er hat uns immer gesagt, Gott werde uns geben, was wir uns wünschen, wenn wir nur darum beten, zum Beispiel ein Haus oder die Jungfrau für meinen Bruder", hatte eine der Töchter vor Gericht berichtet.

Vor diesem Hintergrund eskalierte am 24. Oktober 2006 der Streit zwischen Vater und Sohn. Der junge Mann provozierte seinen Vater, schlug ihn, fragte ihn, wo denn nun die versprochene Jungfrau sei und sagte schließlich, dann werde er sich jetzt eben ein Mädchen nehmen. Um dieses "Verbrechen" zu verhindern, habe er seinem Sohn das größte Küchenmesser, das er finden konnte, in den Rücken gestoßen, hatte der Vater ausgesagt. Diese Rechtfertigung wertete das Gericht als reine Schutzbehauptung. "Der Angeklagte wollte sich seines Sohnes entledigen, weil der sich nicht mehr unterordnen wollte", sagte der Richter.

Klar die Tat abgewogen

Der psychiatrische Sachverständige hatte dem Mann eine Persönlichkeitsstörung mit "querulativen und rechthaberischen Zügen" bescheinigt, eine Wahnerkrankung oder verminderte Schuldfähigkeit aber ausgeschlossen. "Sie haben klar abgewogen und wussten, was Sie taten, das geht aus Ihren eigenen Aussagen hervor", sagte Singelmann an den 60-Jährigen gewandt. Dessen Verteidiger hatte in seinem Plädoyer gefordert, von einer lebenslangen Haftstrafe abzusehen. Weil das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgte und auf die Höchststrafe erkannte, will die Verteidigung jetzt eine Revision prüfen. Bei den Zuhörern dagegen stieß die Strafe auf Zustimmung. "Alles andere wäre nicht in Ordnung gewesen", sagte ein Zuhörer. (mit dpa)

Eva-Maria Mester

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