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Urteil: Kind im Bauch der Freundin getötet - vier Jahre Haft

Im August 2005 lauerte ein 18-Jähriger seiner schwangeren Freundin auf und trat ihr in den Bauch - das kleine Mädchen kam tot zur Welt. Nun verurteilte ihn das Landgericht Lübeck zu vier Jahren Jugendstrafe.

Lübeck - Die Richter werteten die Tat des Jugendlichen aus Ahrensburg bei Hamburg als Schwangerschaftsabbruch im besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Die Anklage hatte sechs Jahre gefordert.

Aus Angst, von seinem Vater verstoßen zu werden, habe er das Kind getötet, hat der junge Muslim aus Mazedonien in seinem Geständnis betont und sich während der Verhandlung mehrfach bei seiner Ex- Freundin entschuldigt. Weil die junge Frau Christin sei, habe er die Beziehung zu ihr vor seinem muslimischen Vater verheimlicht.

«Dieser Fall scheint das Vorstellungsvermögen dessen, wozu Menschen fähig sein können, fast zu übersteigen», sagt der Vorsitzende der Jugendstrafkammer, Christian Singelmann, in der Urteilsbegründung. Auch der Angeklagte - ein dünner junger Mann mit zurückgekämmtem schwarzem Haar und Oberlippenbärtchen - scheint das ganze Ausmaß seiner Tat noch nicht erfasst zu haben. Den Urteilsspruch nimmt er ohne erkennbare Gemütsregung zur Kenntnis - ebenso wie seine große Familie, die an jedem der vier Prozesstage im Gerichtssaal gesessen hat.

Über seinen Vater sagt der Angeklagte: «Er hätte eine solche Beziehung nie geduldet und mich verstoßen.» Deshalb lauerte er im August 2005 seiner damals im achten Monat schwangeren Freundin auf, riss sie zu Boden und trat ihr mit dem Spann drei Mal in den Bauch. Auch die Mutter wäre nach Aussagen einer Ärztin fast verblutet und konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden.

Dennoch war die Staatsanwaltschaft schon während der Hauptverhandlung vom ursprünglich erhobenen Vorwurf des Mordversuchs abgerückt. Ein Tötungsvorsatz habe eindeutig nicht bestanden, und ob der Angeklagte gewusst habe, dass die Tritte auch die werdende Mutter in Lebensgefahr brachten, sei fraglich, begründet der Richter den Urteilsspruch.

Mit dem Strafmaß bleibt das Gericht deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die sechs Jahre Jugendstrafe gefordert hatte. Die Verteidigung hatte drei Jahre beantragt. Singelmann erinnert daran, dass die Höchststrafe für Schwangerschaftsabbruch in einem besonders schweren Fall auch für Erwachsene bei nur fünf Jahren liege. Er verweist auf den psychiatrischen Sachverständigen, der die Tat als Ausdruck einer Krise eines Heranwachsenden, «vergleichbar dem Selbstmord Jugendlicher in scheinbar auswegloser Situation», beschrieben hatte.

Das Tatopfer, das in dem Prozess Nebenklägerin war, will das Urteil nicht kommentieren. Ihre Aussagen im Prozess haben den Zwiespalt gezeigt, in dem die junge Frau steckte und noch heute steckt. «Ich hatte Verständnis für seine Lage und wollte nicht, dass er Ärger mit seiner Familie bekommt. Aber ich wollte auch mein Baby behalten. Deshalb war ich bereit, in meine Heimat zurückzugehen, aber er hat mich angefleht zu bleiben», hat die Portugiesin berichtet. Auf die Frage des Richters, ob sie den jungen Mann immer noch liebe, antwortet sie: «Ich weiß es nicht.» (Von Eva-Maria Mester, dpa)

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