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Urteil: Raser müssen für alle Folgen ihres Handelns büßen

In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof klar gemacht, dass Raser für alle Folgen ihres Handeln einstehen müssen - auch für fahrlässige Tötung. Es geht um zwei Autofahrer, die mit frisierten Autos mit über 200 km/h einen Unfall verursacht hatten.

Und plötzlich bricht der Film ab. Bis zur letzten Sekunde hatte der 20-Jährige seine Kamera auf den Wagen gehalten, der mit mehr als 240 Stundenkilometern neben ihm her raste. Er wird das Tempo genossen haben. Dann aber verliert der Fahrer, neben dem er sitzt, die Kontrolle über sein frisiertes Ungetüm. Das Auto kommt von der Bundesstraße bei Radolfzell ab, überschlägt sich, prallt gegen ein Verkehrsschild und fängt Feuer. Der 20-Jährige bezahlt die Wettfahrt im März 2007 mit dem Leben. Die Schuld trägt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) der Freund am Steuer ebenso wie der Fahrer des zweiten Wagens. Beiden droht nach einem BGH-Urteil vom Donnerstag eine Gefängnisstrafe.

Nach Überzeugung der Karlsruher Richter haben sich die beiden Fahrer der fahrlässigen Tötung strafbar gemacht - laut Strafgesetzbuch könnte sie das bis zu fünf Jahre hinter Gitter bringen. Das Landgericht Konstanz, das sich nun erneut mit dem Fall und der Höhe der Strafen beschäftigen muss, hatte im vergangenen Februar dagegen nur auf vorsätzliche Gefährdung im Straßenverkehr erkannt und gegen die Fahrer anderthalb Jahre Haft auf Bewährung verhängt.

Wettrennen um den Bodensee

Erbarmen oder ein Einsehen hatte der BGH nicht mit den beiden Fahrern, die in ihren getunten Autos - einem Golf und einem Porsche - aufs Gaspedal getreten hatten. Im Gegenteil: Damit solche Strafen auf mögliche Nachahmer abschreckend wirken, sollte die Haft nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden, mahnte die BGH-Senatsvorsitzende Ingeborg Tepperwien: "Der Senat sieht mit Besorgnis, dass diese Mutproben zunehmen." Das Urteil hat Tragweite: Denn künftig muss sich jeder, der bei einem illegalen Autorennen teilnimmt, bewusst sein, dass die Fahrt hinter Gittern enden kann.

Das "russische Roulette", wie Tepperwien es nennt, hatte das Quartett nicht zum ersten Mal auf den Straßen am Bodensee gespielt. Seit März 2006 gab es die Szene der illegalen Raser in dieser Region bereits; immer wieder trafen sie sich und heizten mit bis zu sieben Geschossen über die Straßen. Auch das spätere Opfer gehörte zu dieser Gruppe, er saß mal am Steuer, dann wieder auf dem Beifahrersitz.

Keiner war angeschnallt

Am Tag seines Todes hatte er sich mit seinen Freunden auf einem Parkplatz getroffen und das Rennen beschlossen. Sie hatten immer wieder künstliche Staus auf der Straße provoziert und dann, auf ein Handzeichen oder einen Ausruf, ihre Autos in Sekundenschnelle beschleunigt. Auch beim Überholmanöver auf der zweispurigen Bundesstraße 33 rasten die beiden Autos nebeneinander her, teilweise im Abstand von nur 30 Zentimetern, bis sich eines der beiden überschlug. "Sie müssen sehen, dass Ihr Sohn nicht ganz unschuldig in die Sache hineingegangen ist", meinte Richterin Tepperwien zur Mutter des Opfers, die als Nebenklägerin auftrat und im Gericht dem Mann gegenüber saß, der den Unfall ihres Sohnes verursacht hatte. "Es war ein russisches Roulette in der Frage, wer heute hier auf der Anklagebank sitzt."

Dennoch: Der 20-Jährige habe zwar als Beifahrer das Risiko in Kauf genommen, das ein solches Rennen mit sich bringe, entschied der Senat. Ein Einwilligen in eine "konkrete Todesgefahr" sei rechtlich aber nicht möglich. Oder in Juristendeutsch: "Der Einzelne hat keine Verfügungsgewalt über sein Leben", wie Bundesanwältin Eva Schübel betonte. Allein der Freund am Steuer habe die Chance gehabt, die Aktion abzubrechen. Und damit sei er auch strafrechtlich verantwortlich.

Martin Oversohl[dpa]

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