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Panorama: US-Präsidentschaftswahl: Der Wohnzimmer-Kandidat

Fernsehspots sind in den USA eines der beliebtesten Mittel um für die Präsidentschaftskandidaten zu werben. Seit knapp 50 Jahren gibt es diese Form der Stimmenjagd.

Fernsehspots sind in den USA eines der beliebtesten Mittel um für die Präsidentschaftskandidaten zu werben. Seit knapp 50 Jahren gibt es diese Form der Stimmenjagd. Das American Museum of the Moving Image in New York präsentiert die Spots nun in einer umfassende Ausstellung auf seiner Internetseite. "The Livingroom Candidate" - "Der Wohnzimmer-Kandidat", heißt die Ausstellung, weil die Kandidaten mit dem Fernsehen Einzug in das Zuhause der Wähler gehalten haben.

Begonnen hat alles 1952 mit einem Zeichentrickfilm: Produziert von Walt Disney sieht er genau so aus wie ein früher Micky Maus Streifen. Zeichentrick-Bürger verschiedenster Berufe marschieren in Richtung Washington, auf ihren Plakaten steht "Ike", Eisenhowers Spitzname. Der Song dazu, "Ike for President", prägt sich ein wie ein Ohrwurm. Aber nicht jeder war damals davon überzeugt, dass Fernsehwerbung sinnvoll ist: Eisenhowers Gegenkandidat, der Demokrat Stevenson, verglich die Spots mit Seifenwerbung und noch 16 Jahre später bezeichnete Richard Nixon das Fernsehen als unnötige Spielerei. Das hat ihm dann vielleicht auch mit die Wahl gekostet, denn in dem berühmt gewordenen Fernseduell gegen den perfekt gestylten J.F. Kennedy hatte der unrasierte Ike keine Chance.

Heute ist Fernsehwerbung aus dem Wahlkampf nicht mehr wegzudenken. Ihre Herstellung gleicht der eines Hollywoodfilms. Der Grund sei einleuchtend, sagt David Schwartz, Kurator der Filmabteilung des American Museum of the Moving Image. "Es ist das einzige Medium, das die Kandidaten vollkommen kontrollieren: sie können entscheiden, was sie zeigen wollen, und wie die Information verpackt sein soll."

Insgesamt 183 Wahlspots können auf der Internetseite des Museums chronologisch oder nach Schwerpunkten abgerufen werden. Es gibt Informationen zu den entscheidenden Themen der Wahl und die einzelnen Spots wird eingehend analysiert. Zum Beispiel der Wahlkampf von Jimmy Carter 1976: Erst war Carter der frische Aussenseiter, der Farmer aus Georgia, der in einem Arbeitskittel auf einem Erdnussfeld steht. Als sich die Wahlen näherten, änderte sich sein Äußeres, Carter trug immer häufiger Anzug und Krawatte, um seriöser zu wirken. Die Ausstellung soll aber nicht nur bilden sondern auch unterhalten, wie David Schwartz betont: "Es ist eine Art Zeitreise, die Menschen können sich in verschiedene Jahre versetzen, und über einige der Werbefilme werden sie sicher schmunzeln, weil sie aus heutiger Sicht sehr veraltet, geradezu altmodisch erscheinen."

Inzwischen ist das digitale Zeitalter angebrochen, und kein Kandidat kann mehr auf einen Internet-Auftritt verzichten. Die Werbefilme aber bleiben erst einmal dem Fernsehen vorbehalten. "Ich glaube, Fernseh-Spots haben den größeren Einfluß, weil der Kandidat genau seine Zielgruppe erreichen kann. Es ist vor allem wichtig, die Wähler zu erreichen, die sich noch nicht für eine Seite entschieden haben. Das aber sind gerade die, die vor dem Fernseher sitzen und nicht die, die im Internet surfen," glaubt David Schwartz.

Außerdem sei die Videoqualität im Internet für Werbefilme noch nicht völlig ausgereift, so Schwartz. Doch in vier Jahren wird wieder gewählt, und vielleicht wird schon dann beim Online-Shopping auch für einen neuen US-Präsidenten geworben. Als Vorbild würde sich der Werbefilm von Ronald Reagan aus dem Jahr 1984 eignen, denn der steht Supermarkt-Werbung in nichts nach. Weichgezeichnete Bilder einer wohlhabenden Mittelschicht, seichte Musik, und ein einprägsamer Sprecher sagt freundlich: "Good Morning, Amerika".

Auf welchen Abwegen ein Präsident auch noch in das Wohnzimmer der Amerikaner schleicht, dass wurde auf einer Wahlkampfveranstaltung der Demokraten deutlich. Als der Schauspieler Martin Sheen für seinen Freund Bob Dole Werbung machen wollte, offenbarten ihm seine Zuhörer, dass sie ihn, Sheen, für den viel besseren Kandidaten hielten. Er sei so witzig und so souverän. Martin Sheen spielt den Präsidenten in der amerikanischen Serie "West-Wing".

Philipp Binder

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