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Panorama: Verdächtiger Veba-Mitarbeiter begeht Selbstmord

Der Brief trug keinen Absender. Trotzdem landete er schnell auf dem Tisch von Veba-Chef Ulrich Hartmann, und der erkannte rasch die Brisanz.

Der Brief trug keinen Absender. Trotzdem landete er schnell auf dem Tisch von Veba-Chef Ulrich Hartmann, und der erkannte rasch die Brisanz. Wieder stand einer seiner leitenden Mitarbeiter im Verdacht, in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben, auch dieses Mal ging es um große Summen. Knapp sechs Millionen Mark, so der Anonymus, seien im Zusammenhang mit einem Immobiliengeschäft einer Veba-Tochter als Bestechungsgelder geflossen. Im Mittelpunkt stand ausgerechnet jener Mann, dem Hartmann besonders vertraute: Dieter Diekmann, der frühere Bonner Oberstadtdirektor und CDU-Politiker, soll allein 1,5 Millionen Mark aus diesem Deal in die eigene Tasche gesteckt haben.

Nicht nur Hartmann bekam Anfang Mai dieses Schreiben. Der Insider hatte - weil er dem Ermittlungseifer der Veba-Spitze nicht traute - eine Kopie an die Bochumer Staatsanwaltschaft geschickt. Die Beamten dort gelten als die "harten Hunde im Revier" und schrecken auch nicht davor zurück, Top-Manager für einige Tage ins Gefängnis zu befördern, um deren Auskunftsbereitschaft zu erhöhen. Im Fall Diekmann ging es freilich schnell nicht mehr nur darum. Der Mann wurde am 14. Juli verhaftet, ihm stand ein Prozeß bevor. Dazu wird es jetzt nicht mehr kommen, der Mann hat sich am vergangenen Samstag in seiner Zelle erhängt. "Es gab keinerlei Anzeichen für Selbstmordgefährdung", verkündete jetzt der Sprecher des nordrhein-westfälischen Justizministers, Dieter Wendorff. Diekmann habe am frühen Samstagmorgen wie an jedem Tag gefrühstückt und sei wohlauf gewesen. "Als man ihm um 10 Uhr 50 die Zeitung bringen wollte, fand man ihn, er hatte sich am Fensterkreuz mit einem Bettlaken erhängt", berichtet Wendorff weiter.

Er selbst hatte immer behauptet, völlig zu Unrecht im Gefängnis zu sitzen. Auch seine Frau wurde böse, wenn man sie auf die Vorwürfe der Justiz gegen ihren Mann ansprach. "Das ist Rufmord", gab sie mehrfach zu Protokoll. Gemeinsam mit seinem Anwalt hatte Diekmann noch am Freitag beraten, wie man die Verteidigungs-Strategie aufbauen solle. Der Jurist war völlig überrascht, als ihn die Nachricht aus der Haftanstalt "Krümmede" erreichte. "Wir wollten seine Unschuld beweisen", versichert der Anwalt. Der Freitod nährt freilich Zweifel daran, dass Diekmann unbelastet war, zumal er seinen Entschluss offensichtlich nicht spontan gefällt hat. "Ich halte es nicht mehr aus", schrieb er in einem der drei Abschiedsbriefe, die er hinterlassen hat.

Die Staatsanwälte reagieren kühl, wenn man mehr über die Ereignisse des Wochenendes wissen will. "Es wäre zu einer Anklage gekommen", orakelt Bernd Bienioßek von der Bochumer Wirtschaftsstaatsanwaltschaft. "Einer der beiden anderen Verhafteten hat ihn direkt, der andere indirekt belastet", gibt Bienioßek Einblick in den Ermittlungsstand. Demnach haben sich viele Details aus dem Schreiben des Anonymus von Mai bestätigt. Der hatte behauptet, dass beim Verkauf der Immobilie an der Bonner Fiedrich-Ebert-Allee, in der das Entwicklungshilfeministerium untergebracht ist, massive Bestechung im Spiel war.

Der Fall hat auch eine politische Dimension. Der CDU-Mann Diekmann war bis 1995 Oberstadtdirektor von Bonn und außerordentlich beliebt. Noch im vergangenen Jahr galt Diekmann, der stets hervorragende Kontakte zur Wirtschaft besaß, als Kandidat für das Oberbürgermeisteramt. Er sollte nach dem Willen der Union gegen die Amtsinhaberin Bärbel Dieckmann antreten, mit der er nicht verwandt ist. Trotz seines Wechsels auf einen gut dotierten Posten bei der Veba sollte er die populäre Dieckmann aus dem Amt drängen; die sich am kommenden Wochenende der Stichwahl gegen den Diekmann-Nachfolger Helmut Stahl von der CDU stellen muss. In Bonn sind viele geschockt ob der jüngsten Nachricht aus Bochum. Vor allem bei der CDU fürchtet man Auswirkungen auf die Wahl. Ein CDU-Politiker bittet, dass die Öffentlichkeit "zurückhaltend mit Wertungen sein möge, denn seine Schuld ist nicht erwiesen". Formaljuristisch hat der Mann Recht, denn das Verfahren wird eingestellt. Nicht nur Martin Schilling von der örtlichen SPD fürchtet, dass die Sache "vielleicht nie ganz geklärt werden wird".

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