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Fahrplanchaos. Ab Montag sollen in Mainz nun auch unter der Woche zu den Hauptverkehrszeiten viele Züge im Regionalverkehr ausfallen.

© dpa

Verfehlte Personalpolitik der Bahn: Auch in Berlin fehlt Personal

Die Deutsche Bahn gerät in die Bredouille: Ihre verfehlte Personalpolitik holt sie nun ein, es knirscht an allen Ecken und Enden. Der Verkehr im Hauptbahnhof in Mainz ist stark eingeschränkt, weil schlicht die Mitarbeiter in den Stellwerken fehlen. Das kennen die Berliner auch: Mancher Ersatzverkehr wird gar nicht wegen Bauarbeiten eingerichtet.

Mangel bei der Bahn: Es fehlen Fahrzeuge für den ICE-Verkehr, es fehlen S-Bahnen nicht nur in Berlin – und es fehlen Stellwerker und Fahrdienstleiter, die die Züge überwachen und leiten, so sie denn fahren. Weil es im Stellwerk für den Mainzer Hauptbahnhof derzeit zu wenig Personal gibt, muss der Zugverkehr „aufgrund weiterer Krankmeldungen“ noch stärker als bisher eingeschränkt werden, teilte die Bahn am Wochenende mit. Auch personelle Konsequenzen will die Bahn wohl ziehen. Nach Informationen der „Stuttgarter Zeitung“ soll der Vorstand Produktion des Netzbereichs der Bahn, der für die Stellwerke zuständig ist, von seinen Aufgaben entbunden werden. Die Bahn lehnte eine Stellungnahme dazu ab.

Mainz ist allerdings kein Einzelfall. Dort waren Ende der Woche von 15 Fahrdienstleitern vier krank gemeldet und drei in Urlaub. In Stellwerken und Betriebszentralen, in denen Weichen und Signale elektronisch bedient werden, fehle seit Jahren bundesweit Personal, heißt es bei der Eisenbahngewerkschaft EVG. Es fehlten mindestens tausend Fahrdienstleiter. Etwa 12 000 Mitarbeiter gibt es in den Stellwerken.

Vor zwei Jahren stand nach Tagesspiegel-Informationen die Betriebszentrale in Karlsruhe vor einem ähnlichen Kollaps. Sie hat dann Mitarbeiter aus anderen Stellwerken vorübergehend nach Baden geholt. Lockmittel waren unter anderem eine bessere Bezahlung und die Übernahme der Kosten für eine Zweitwohnung. In anderen Stellwerken verschärfte das Entsenden der Mitarbeiter die eigenen Probleme. Nach Angaben der EVG haben die Mitarbeiter inzwischen einen Berg von mehr als einer Million Überstunden angehäuft.

Zum Teil gibt es nach Tagesspiegel–Informationen auch Prämien, wenn Mitarbeiter auf einen freien Tag verzichten und ihn später nachholen (80 Euro) oder kurzfristig bereit sind, den Dienst zu ändern (50 Euro). Extrazahlungen gibt es auch, wenn ein Mitarbeiter in einer Betriebszentrale den unbesetzten Nachbarplatz mitbedient (80 Euro). Dadurch steigt aber auch die Belastung. Machen die Fahrdienstleiter einen Fehler, müssen sie sich dafür verantworten.

Um in Mainz die Lage zu entspannen, will die Bahn vier weitere Mitarbeiter zu Fahrdienstleitern ausbilden lassen. Der Lehrgang dauert 90 Tage. Damit sei es aber nicht getan, sagen langjährige Fahrdienstleiter. Ohne eine ausreichende praktische Betriebserfahrung sei ein Neuling in besonderen Situationen oft überfordert. Auch der Versuch, Offiziere, die aus der Bundeswehr ausgeschieden waren, als Fahrdienstleiter einzusetzen, war nach Tagesspiegel-Informationen gescheitert.

Die Konzernspitze der Bahn war jahrelang überzeugt, den notwendigen Bestand für das Überwachen und Leiten der Züge in den Betriebszentralen aus dem Personal von Stellwerken rekrutieren zu können, die ihren Posten dort verloren, wenn die alten Anlagen auf das zentrale elektronische System umgestellt worden waren. Allerdings waren diese Mitarbeiter oft nicht zum Wechsel bereit oder schlicht zu alt.

Die Anforderungen sind hoch: Die Mitarbeiter müssen nicht nur den Lehrgang erfolgreich absolvieren; sie müssen auch gesundheitlich geeignet sein. Sehr gutes Sehen und Hören ist ebenso erforderlich wie gute Leberwerte. Vier Mal im Jahr gibt’s Unterricht, und wenn man länger als ein halbes Jahr nicht auf einem Stellwerk war, für das man ausgebildet worden ist, ist eine neue Prüfung dort fällig. Ohne örtliche Kenntnis kann ein Fahrdienstleiter nicht einfach zu einem anderen Stellwerksbereich versetzt werden.

In Berlin sind in der Betriebszentrale in Pankow für den Fern- und Regionalverkehr im Bereich Ost rund 400 Mitarbeiter vorhanden, die in drei Schichten rund um die Uhr arbeiten. Über 100 Fahrdienstleiter steuern aus der Betriebszentrale in Halensee den Verkehr der S-Bahn. Insider sagen, rund 40 weitere Mitarbeiter seien für beide Bereiche erforderlich. Mit internen Ausschreibungen werden sie gesucht.

Weil sich am Wochenende ein Engpass auf einem alten Stellwerk in Strausberg östlich von Berlin abgezeichnet hatte, bereitete die S-Bahn, wie bereits mehrfach aus diesem Grund, einen Ersatzverkehr mit Bussen zwischen Strausberg und Strausberg Nord vor. Dann war es aber doch gelungen, einen Mitarbeiter aufzutreiben.

Ob es eine Prämie gab, ist nicht bekannt.

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