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Vergewaltigungsprozess: Fall Kachelmann: Angriff ist Verteidigung

Kachelmanns neuer Anwalt Johann Schwenn rügt das Gericht und mischt den gesamten Prozess auf. Das bisherige Frageprogramm von Gericht und Staatsanwaltschaft sei "unappetitlich und abstoßend", so Schwenn.

Höflichkeit ist keine Tugend eines Strafverteidigers. Gedankenlesen schon eher. Und das beherrsche er nach 33 Berufsjahren durchaus, sagte Johann Schwenn am Mittwoch bei seinem Debüt als Anwalt von Jörg Kachelmann vor dem Landgericht Mannheim. Seinem Ruf als Mann mit Handkante statt Samtpfötchen wird er ohne Umschweife gerecht. Sein erster Prozesstag an Kachelmanns Seite ist kaum eine Stunde alt, da holt er zum Rundumschlag aus. Schwenn unterbricht dafür die Vernehmung einer Exgeliebten des früheren Fernsehwettermoderators und holt die ausgeschlossene Öffentlichkeit wieder herein in den Gerichtssaal.

Schwenn ist unzufrieden. Das Gericht befrage Gabriele G., die 40-jährige Exgeliebte und Inhaberin eines Dentallabors, nicht so, wie es sich gehöre, findet er. Der Beisitzenden Richterin wirft er einen Hang zur „voyeuristisch anmutenden Genauigkeit“ vor. „Durften Sie dies? Mussten Sie jenes?“, imitiert er ihre Fragen. „Mehr Offenheit“, rät er und geht mit seiner Kritik noch weiter.

Der Hamburger Jurist bezeichnet die Befragung von sechs früheren Sexualpartnerinnen, die in den bisherigen 16 Verhandlungstagen ausgesagt haben, allesamt für „irrelevant“ bei der Suche nach der Wahrheit über jene Nacht auf den 9. Februar mit Simone W. (Name geändert). Die Radiomoderatorin wirft Kachelmann vor, sie damals in ihrer Wohnung mit einem Messer bedroht und vergewaltigt zu haben. Kachelmann bestreitet das.

Das bisherige Frageprogramm von Gericht und Staatsanwaltschaft – der „objektivsten Behörde der Welt“, wie Schwenn süffisant anmerkt – sei „unappetitlich und abstoßend“. Deshalb habe sich die Verteidigung nun auch nicht daran beteiligt, sagt er. Er möchte dies als „Verhaltensempfehlung an das Gericht“ verstanden wissen und droht mehrfach offen mit dem Bundesgerichtshof als nächste Instanz.

Auch ein argloser Schöffe bekommt es mit dem neuen Verteidiger zu tun. Dieser hatte gar kein Wort gesagt und muss verdutzt zur Kenntnis nehmen, dass allein seine Körpersprache Anlass für einen Rüffel ist. Schwenn will von der Verteidigerbank aus eine Geste des Unbills gegen die Unterbrechung der Vernehmung erkannt haben, die er dem Schöffen augenblicklich um die Ohren haut. Der Schöffe weiß kaum, wie ihm geschieht. Seine Gesichtsfarbe wechselt in Richtung dunkelrot. „Verteidiger können Gedankenlesen“, erklärt Schwenn.

Unbehaglich wird es gleich zu Beginn der Verhandlung auch einer Redakteurin der „Bunte“. Das „Burda-Blatt“, sagt Schwenn, beschädige „massiv“ die Persönlichkeitsrechte seines Mandanten. Die Zeitschrift hatte exklusiv ein Interview mit einer Zeugin abgedruckt, die zuvor nichtöffentlich vor Gericht ausgesagt hatte. Er verknüpft die Rüge mit dem Antrag, Ralf Höcker, den Medienanwalt Kachelmanns, die ständige Anwesenheit im Gerichtssaal zu erlauben. Und Schwenn hat gerade erst damit begonnen, das gesamte Verfahren umzukrempeln.

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