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Vergewaltigungsprozess: Staatsanwaltschaft fordert Gefängnis für Kachelmann

Im Prozess gegen Jörg Kachelmann fordern die Ankläger eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Sie halten die Aussage der Nebenklägerin insgesamt für glaubhaft. Auch die Indizien sprächen gegen Kachelmann.

Einen Tag brauchen die Ankläger vor dem Mannheimer Landgericht, um ihren Vorwurf zu untermauern. Am Ende fordern sie vier Jahre und drei Monate Haft für Jörg Kachelmann. Die Schuld – sie sei zweifelsfrei erwiesen. Der frühere Wettermoderator soll ins Gefängnis, wegen eines minderschweren Falls der Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Er soll sein Opfer, die Radiojournalistin Claudia D., im Februar 2010 nach einem Streit über seine anderen Liebschaften mit einem Messer bedroht und sich gewaltsam an ihr vergangen haben. Milde – und deshalb die Annahme des minderschweren Falls – verdiene er, weil in Folge der Medienveröffentlichungen sein Privatleben zusammengebrochen sei und er beruflich nur schwer wieder anknüpfen könne.

„Wir sind auf Zuhören eingerichtet“, sagt Johann Schwenn am Beginn des Prozesstags, doch kaum hat Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge mit seinem Plädoyer begonnen, da mischt sich Kachelmanns Verteidiger ein. Streitpunkt: Ein Tagesspiegel-Interview mit dem Ankläger vom Dienstag, indem dieser ankündigte, bislang nichtöffentliche Aussagen bewerten zu wollen. Damit sei Neugier auf „pikante Details“ geschürt. Schwenn: „Sie wollen ihre letzte Chance nutzen, den Angeklagten richtig fertigzumachen und bloßzustellen.“ Die Medien würden „für die Niedermache instrumentalisiert“. Die Zuschauer sollten den Saal verlassen.

Für ihn gehe es nicht anders, sagt Oltrogge. Er müsse die sexuellen Gewohnheiten erörtern, auch an seinem Zitat gegenüber dem Tagesspiegel kann er nichts Anstößiges finden. Er hatte im Gerichtssaal einen Chat-Dialog zwischen Kachelmann und Claudia D. erwähnt, in dem jener eine erwartete Begegnung mit einem griffigen Terminus als gemeinsames Projekt schilderte. Darf man hier vom Sex als „Hauptaufgabe“ sprechen, wie es Kachelmann nannte? Schließlich wollen seine Anwälte jede Berichterstattung über dessen Intimsphäre verbieten. Insbesondere über seine Sexvorlieben. Nur spielt manches davon eine Rolle in diesem Prozess, ebenso wie Kachelmanns sonstiger Umgang mit Frauen – jedenfalls für den Schuldvorwurf der Ankläger, der am Mittwoch im Mittelpunkt stand. Das Gericht berät, Oltrogge darf fortfahren. Schwenn grummelt. Der Staatsanwalt stehe „unter Bewährung“.

Kachelmanns einzige Aussage zur Tat stammt vom Termin beim Haftrichter. Sie war in Mannheim vor Publikum verlesen worden. In der Nacht habe man einvernehmlich Sex gehabt wie üblich, hieß es, danach gegessen; später sei es zum Streit gekommen, er sei dann gegangen. „Diese Angaben sind falsch“, sagt Oltrogge jetzt. Denn anders als der Angeklagte behauptet, habe es keine festen Rituale bei Begegnungen mit Claudia D. gegeben. Kachelmann habe, wie andere Zeuginnen bestätigt hätten, die „Inszenierungen“ gewechselt. Nach der Tat habe er alle Eingangsnachrichten von D. auf seinem Handy gelöscht. „Er wollte gezielt Spuren beseitigen.“ Dann ein verwirrter Anruf bei einer Geliebten, der diese schockierte. Auch dies ein Indiz.

Oltrogge betont, man sei sich der vielen Lügen von Claudia D. bewusst: „So blöd sind wir nicht.“ Sie habe nicht nur Ermittlern Unwahrheiten erzählt, auch ihrem Anwalt, sogar den Eltern; möglicherweise lüge sie immer noch darüber, wie sie von Kachelmanns Affären erfuhr. Warum? Weil sie einen Kontext brauchte, eine glaubwürdige Geschichte. Eingeständnisse hätten sie nur „in ein noch schlechteres Licht gerückt“, sagt Oltrogge.

„Maßgeblich“ für den Schuldvorwurf aber sei die Spurenlage, sowohl in der Wohnung als auch am vermeintlichen Tatmesser, fährt Oltrogge fort. DNA von Claudia D. sei an der Klinge, Spuren von beiden am Griff. Kein Rechtsmediziner habe ausgeschlossen, dass das Messer als Waffe genutzt worden sei. Eine Selbstverletzung, wie von zwei Gutachtern behauptet, sei unmöglich, die Einritzung am Hals zu tief. Um solche Spuren nachträglich anzubringen, hätte Claudia D. erst DNA bei Kachelmann aufnehmen müssen – etwa durch eine Umarmung – und dann binnen Minuten am Messer auftragen müssen, um sich anschließend sofort selbst den Hals zu ritzen. „Das halte ich für ausgeschlossen.“

„Was die Zeugin beschreibt, spiegelt auch die Charakterzüge von Kachelmann“, sagt der Staatsanwalt. Es sei ein Indiz für die „Erlebnisbezogenheit“ der Opferschilderungen. Ex-Gefährtinnen hätten vor Gericht bezeugt, der Moderator neige beim Sex zu „Grenzüberschreitungen“. In der Tatnacht habe ihn der Streit in eine „narzisstische Krise“ gestürzt, sein Selbstbild als der, der kontrolliert und dominiert, sei ins Wanken geraten. Auch die tagebuchartigen Einträge von Claudia D. nach der angeblichen Tat sprächen für sie, sie seien so voller Wut und Hass – niemand, der einen anderen falsch beschuldige, würde seine Motive gleich mitliefern.

„Es war ein Indizienprozess“, schließt Oltrogge nach einer Schelte der Medien, man könne „alle Indizien auch in einem anderen Licht betrachten.“ Doch „in der Gesamtschau“ sei Kachelmanns Schuld erwiesen. Die Schelte der Medien teilt Anwalt Johann Schwenn nach dem Plädoyer. Die anderen Ausführungen seien „niveaulos“. Sein Schlussvortrag wird für kommenden Dienstag erwartet.

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