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Verkehrte Welt: Eva Christiansen, Sexual- und Paartherapeutin, ist die erste Bankkundin, die einen Kredit aufgenommen hat und dafür von der Bank Zinsen bekommt.

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Verkehrte Finanzwelt: Sexualtherapeutin leiht sich Geld von der Bank - und bekommt dafür Zinsen

Verkehrte Welt: Eva Christiansen ist berühmt geworden, weil sie die erste bekannte Kundin ist, die von ihrer Bank Geld geliehen hat und dafür von der Bank Zinsen bekommt. Wie kann das sein und warum wird es das demnächst wohl auch in Deutschland geben?

Von Andreas Oswald

Eva Christiansen, dänische Sexual- und Paartherapeutin, ist die erste bekannte Kundin, die bei ihrer Bank einen Kredit aufgenommen hat und dafür von der Bank Zinsen erhält. Das berichtete die „Financial Times“. Frau Christiansen bestätigte den Vorgang auf Anfrage und erklärte, sie habe den Kredit aufgenommen, weil sie neben ihrer Praxis ein soziales Netzwerk aufbauen will.

Der Hintergrund dafür, dass ihr die Bank Geld gibt, sind zunehmend negative Zinsen in entwickelten Ländern. Dabei verlangen die Notenbanken einen Negativzins von Banken, die ihr Geld bei ihr parken wollen. Das führte bisher schon zu der skurrilen Folge, dass Firmen und reiche Bankkunden ihrer Bank Geld geben müssen, wenn sie zu hohe Beträge auf dem Konto liegen haben.

Normale Sparer blieben bisher davon verschont und müssen lediglich Niedrigstzinsen akzeptieren. Dass nun konsequenterweise umgekehrt die Bank dem Kunden Zinsen zahlt, wenn sie dem Kunden Geld leiht, ist ein Novum. Die Bank heißt „Realkredit Danmark“ und gibt es nur in Dänemark.

Und was hat die Bank davon?

Die Frage ist, warum die Bank das macht. Es ist einfach die Fortführung eines Trends, bei dem die Zinsen immer weiter sinken. Und irgendwann befinden sich die Zinsen im negativen Bereich. Dahinter steckt die Erwartung, dass in der Zukuft die negativen Zinsen noch negativer werden, das heißt, der Wert des Geldes noch weiter steigt. Die Bank hat den Vorteil, dass die Kundin am Ende das Geld zu einem Zeitpunkt zurückzahlen muss, wo das Geld wertvoller geworden ist. Für die Kundin ist das ein Nachteil. Sie muss zu einem späteren Zeitpunkt wertvoller gewordenes Geld zurückzahlen. Die Bank gewinnt die Differenz zwischen dem negativen Zins, den sie gezahlt hat und dem Betrag, um den das Geld bis dahin wertvoller geworden ist. Deflation ist genau das Gegenteil von Inflation. Bei Inflation profitiert der Kunde, wenn plötzlich das Geld weniger Wert ist, wenn er es zurückzahlen muss und die Inflation höher ist als der Zinssatz, den er bezahlen muss. Bei der gegenwärtigen Deflation verliert er. Die Bank steht in allen Fällen spiegelverkehrt auf der anderen Seite des Handels.

Dänemark steht international an der Spitze der Entwicklung negativer Zinsen. Aber Deutschland hinkt nur wenig hinterher.

Bei Staatsanleihen nehmen die negativen Zinsen immer absurdere Formen an. Für eine zehnjährige deutsche Staatsanleihe gibt es derzeit gerade noch einmal plus 0,18 Prozent Zinsen. Fünfjährige Anleihen sind längst im negativen Bereich. Erst recht zweijährige. Die Schweiz hat diese Woche erstmals eine zehnjährige Staatsanleihe begeben, die schon bei der Ausgabe einen negativen Zinssatz hatte. Das heißt, der Käufer schenkt dem Staat Geld dafür, dass er die Ehre hat, dem Staat Geld leihen zu dürfen.

Und wie hoch ist der Zins für Frau Christiansen? 0,0172 Prozent. Sie bekommt umgerechnet etwa einen Euro pro Monat. Der Vorgang zeigt, was demnächst auch in Deutschland passieren könnte. Die Frage ist, welche Überraschungen die experimentelle Geldpolitik der Notenbanken in Zukunft noch bereithalten wird. Und wohin das am Ende führen wird.

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