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Panorama: Verteufelt gut

Ein Film ehrt unfreiwillig Anna Wintour, die umstrittene Chefin der „Vogue“

Eigentlich muss man sich wundern, dass es so lange gedauert hat. Anna Wintour gehört nun wirklich zu den schillernsten Lichtern unter der an Sternchen reichen New Yorker High Society, mit ihrem strengen Regime, das sie als Chefin der Zeitschrift „Vogue“ führt, mit ihren Marotten, ihrem Erfolg. Gleich neben Baulöwe Donald Trump leuchtet sie da, neben der Überhausfrau Martha Stewart, als Grand Dame der internationalen Modeszene. „Sie hält nicht den Finger in den Wind, um Trends zu beurteilen“, hat die „New York Times“ einmal geschrieben, „sie ist der Wind.“ Doch bislang hat es nur zu ein paar Auftritten in Dokumentarstreifen gereicht – und zu zwei Büchern, die genüsslich über sie herziehen.

Nun jedoch ehrt Meryl Streep die Modechefin: In „The Devil Wears Prada“ (Der Teufel trägt Prada) spielt sie die Chefredakteurin der fiktiven Zeitschrift „Runway“, eine Rolle, die nur zu auffällig nach Wintour modelliert ist. Jeden Morgen kommt da Streep alias Miranda Priestly ins Büro gesegelt, wirft ihre ständig wechselnden 12 000-Dollar-plus-x- Handtaschen samt dazugehörigem Pelz auf einem der Schreibtische ihrer Assistentinnen ab und überfrachtet die mit unmöglichen Aufgaben. Werden sie nicht pronto und zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt, hagelt es verächtliche Blicke, noch mehr Aufträge – und bisweilen eine verbale Hinrichtung.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der Assistentin Andy Sachs – nach dem vor drei Jahren von Lauren Weisberger herausgebrachten Buch gleichen Titels. Die hielt nur knapp ein Jahr lang als Wintours Assistentin aus, bevor sie mit ihrem Insiderroman einen Hit landete. Bis heute bestreiten alle Beteiligten, dass sie es aufeinander abgesehen hätten, aber natürlich weiß jeder, dass das nicht stimmt.

Es ist gefährlich, sich mit Wintour öffentlich anzulegen: Bei Erscheinen des Buches sprangen ihr zahlreiche Medien bei, die „Times“ veröffentlichte gleich zwei Verrisse von Weisbergers Werk. Nachdem der Film jetzt in den USA anlief, warf die Zeitung sich wieder schützend vor die Kollegin. So wurde bewundert, dass die Karikierte zur Premiere des Streifens persönlich erschien, um über sich zu lachen: „Wenn die richtige Ms. Wintour Prada trägt, dann scheint es mit Teflon verwoben zu sein.“ Nichts bleibt haften.

Aber natürlich wäre Wintour nicht Wintour, hätte sie zuvor nicht deutlich gemacht, dass Designer, die in dem Streifen mitwirken, nie wieder in „Vogue“ erwähnt werden. So jedenfalls heißt es in der Gerüchteküche. Wer weiß, welche Macht sie ausübt, hält die Drohung für realistisch. Seit 18 Jahren steht die Britin mit dem scheinbar unfehlbaren Sinn für Stil und Ästhetik schon an der Spitze des Magazins. Kein großes Modehaus kann es sich leisten, die jüngste Kollektion vorzustellen, ohne sie vorher zu konsultieren. Sie war es, die als eine der Ersten günstige Mode mit exklusiven Stücken kombinierte. Zu ihrem „Vogue“-Debüt ließ sie ein 19-jähriges israelisches Model für das Cover fotografieren, bekleidet mit einer ausgewaschenen 50-Dollar-Jeans und einem 10 000 Dollar teuren, juwelenbestückten T-Shirt von Christian Lacroix. Sie nahm Prominente aufs Titelbild wie Talkerin Oprah Winfrey – aber erst, nachdem die zehn Kilogramm abgespeckt hatte. Hillary Clinton musste versprechen, sich von ihrer Vorliebe für Marineblau zu verabschieden.

Wintour hat alles unter Kontrolle – ihr Haar, das sie täglich zu einem strengen Bob frisieren lässt, ebenso wie den Inhalt einer Story. Einmal, klagt ein Redakteur, habe ein Autor tagelang nach einer krebskranken Geschäftsfrau suchen müssen, weil der Chefredakteurin eine Stewardess mit Brustkrebs nicht exklusiv genug erschien. Der Erfolg gibt ihr Recht: Unter ihrer Ägide wehrte das Blatt die Angriffe vieler Neugründungen ab, mittlerweile erreichen „Vogue“ und seine Ableger mit jeder Ausgabe 2,3 Millionen Leser.

Dem Aufschwung taten auch Wintours bittere Fehden mit radikalen Tierschützern keinen Abbruch. Weil sie sich weigert, auf Pelze zu verzichten, und Anzeigen der Tierschützer nicht druckt, legten die ihr einen toten Waschbären auf den Teller, ein anderes Mal traf eine Tofu- Torte ihr Gesicht. Sie bemerkte nur trocken, dass Soja gut für die Haut sei. Das tote Tier verhüllte sie pietätvoll mit ihrer Serviette und bestellte sich einen Kaffee.

Davon zeigt „The Devil Wears Prada“ wenig. Der müde dahinplätschernde Film zeigt vor allem extravagante Kostüme.

Immerhin aber löste er eine Debatte über böse Bosse aus – und die Frage, ob Frauen schlimmer seien als Männer.

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