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Verwahrlosung: Kinder zwischen Kot und Schimmel

Das Jugendamt Fürth hat drei in einer verwahrlosten Wohnung entdeckte Kinder bei zwei Pflegefamilien untergebracht. Den Kindern geht es den Umständen entsprechend gut. Von der Mutter fehlt jede Spur.

Fürth - Rund um die Häuserzeile tobt der Verkehr. Die Fassade des Wohnblocks mit der Nummer 3 A ist rußgeschwärzt. Im Treppenhaus hängt ein Schild mit der Aufschrift: "Das Spielen der Kinder ist untersagt." Auf der anderen Straßenseite haben sich Kamerateams aufgebaut. Plötzlich wird es hektisch: Mitarbeiter des Fürther Jugendamtes bringen drei kleine Kinder aus dem Haus und fahren mit ihnen weg. Die Polizei hatte die Geschwister am Sonntag aus einer verwahrlosten Dachgeschosswohnung befreit, wo sie von der Mutter allein zurückgelassen worden waren. Zwei Tage lang wohnten die Kinder bei ihrer Tante im gleichen Haus, bevor sie am Dienstag in zwei Pflegefamilien untergebracht wurden.

Polizei und Jugendamt gehen davon aus, dass die allein erziehende 27-Jährige ihre Kinder am Freitag in der Wohnung zurückgelassen hat. Normalerweise beauftragte die Frau ihre im Nachbarhaus lebenden Schwester als Babysitterin. Doch die war nicht darüber informiert, dass die Kinder allein zu Hause geblieben waren. Über das Motiv der Frau können die Behörden bislang nur rätseln: Von ihr fehlt bislang jede Spur.

Polizei und Feuerwehr mussten anrücken

Nachbarn hatten die Kinder am Sonntagabend weinen gehört und die Polizei verständigt. Vom Balkon eines anderen Hausbewohners aus redeten zwei Beamte den Kindern zu, die Türe zu öffnen. "Die Polizisten haben ihnen Bonbons und Schokolade versprochen, wenn sie aufmachen", erzählte Nachbar Nuri Cesur. Doch die Tür war verschlossen und ließ sich nicht öffnen.

Schließlich rückte die Feuerwehr an und brach das Schloss auf. Rettungskräfte holten die fünf, drei und ein Jahre alten Kinder aus der Wohnung. Dort hatten die Geschwister zwei Tage und zwei Nächte lang zwischen verschimmelten Lebensmitteln und mit Kot verschmierten Wänden ausharren müssen. Trotzdem gehe es den Kindern den Umständen entsprechend gut, berichtete der Leiter des Jugendamtes, Josef Lassner.

Sorgerecht entzogen

Der Mutter wurde inzwischen das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen. Die Mädchen und der einjährige Junge werden voraussichtlich für lange Zeit bei Pflegefamilien bleiben - "im Extremfall so lange, bis sie erwachsen sind", wie Lassner sagte.

Mitarbeiter des Jugendamtes hatten seit rund einem Jahr Kontakt zu der Familie. Damals habe das Amt einen Hinweis der Polizei bekommen, wonach der inzwischen im Gefängnis sitzende Vater der Kinder die Frau geschlagen habe, berichtete Lassner. Daraufhin besuchte ein Mitarbeiter der Behörde die Familie regelmäßig - bis sich die Situation vor drei Wochen zuspitzte. Die Frau habe sich zunehmend abweisend verhalten. Das Amt habe deshalb tägliche Besuche von Betreuern für notwendig erachtet. Das hatte die Mutter jedoch abgelehnt. Kritik, das Jugendamt habe zu lange zugeschaut, wies Lassner zurück.

Der Fall weckt düstere Erinnerungen: Erst im Dezember 2006 war im thüringischen Sömmerda der knapp zehn Monate alte Leon verdurstet, nachdem die 20 Jahre alte Mutter ihn und seine Schwester Lena vermutlich vier Tage lang alleine in ihrer Wohnung gelassen hatte. Die zweijährige Lena überlebte das Martyrium.

(Von Thomas Meiler und Britta Gürke, dpa)

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