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Vivienne Westwood auf der London Fashion Week im Februar. 1993 bis 2005 lehrte die Designerin in Berlin.

© imago/ZUMA Press

Vivienne Westwood wird 75: Alles – außer konventionell

Vivienne Westwood hebt sich mit ihrem Wesen und ihrem Stil seit jeher von anderen Designern ab. Heute wird sie 75 Jahre alt.

Diese Lady ist ein seltenes Exemplar der Spezies Modedesigner. Heute haben die meisten Designer genug damit zu tun, ihr Image über die sozialen Medien zu pflegen, um interessant für ihren Arbeitgeber zu bleiben. Irgendwann müssen sie sich dann zurückziehen, weil der Druck einfach zu groß geworden ist.

Vivienne Westwood wird am Freitag 75, und um Konventionen schert sie sich genauso wenig wie eh und je. Während die Kollegen Networking betreiben, fährt sie mit einem weißen Panzer vors Landhaus des britischen Premiers David Cameron, um gegen Fracking zu protestieren. Sie sagt, was sie denkt, immer und überall, und oft druckt sie es auf T-Shirts, damit es auch wirklich alle mitbekommen. Nachdem sie 1992 von der Queen den Orden „Officer of the Order of the British Empire“ erhalten hatte, lüftete sie vor Fotografen ihren Rock – und es war kein Höschen drunter.

Der Autodidaktin war von Anfang an klar, dass man mit Mode sprechen kann, das hatte sie von Malcom McLaren gelernt, dem Manager der Sex Pistols. Zusammen verkauften die beiden ab 1971 in ihrem ersten Laden „Let it Rock“ handbedruckte T-Shirts mit Hakenkreuzen und der gepiercten Queen. Ein typisches Produkt jener Tage war das „Anarchiehemd“, bunt bemalt, einem Porträt von Karl Marx und den Schriftzügen „Only anarchists are pretty“ und „Chaos“.

Ihre Arbeitsweise war trotz allem nie rüpelhaft und wurde mit den Jahren immer intellektueller. Spätestens mit Westwoods erster eigener Kollektion 1981 wurden Bezüge zur Kultur- und Kostümgeschichte sichtbar. Um das historische Handwerk und die dazugehörigen Materialien kennenzulernen, vergrub sie sich wochenlang im Archiv des Victoria & Albert Museums. Kopieren hielt sie für ihre wichtigste Arbeit. Was sie auf den Laufstegen in London, Paris und Mailand zeigte, war lange Zeit das Gegenteil von sportlicher Freizeitkleidung. In den Neunzigern sorgte sie mit riesigen, kompliziert konstruierten Seidenroben für Furore.

Von 1993 bis 2005 lehrte sie in Berlin

Vivienne Westwood ist eine harte Arbeiterin, das bekamen auch ihre Studenten in Berlin zu spüren. Von 1993 bis 2005 lehrte sie an der Universität der Künste. Sie ließ keine Nachlässigkeit durchgehen, das sah man spätestens in den Abschlussmodenschauen. Die Absolventen lieferten perfekt gearbeitete, oft exaltierte und opulente Entwürfe ab.

Dass sie bei all dem noch Zeit hat, mehrere Kollektionen pro Saison zu entwerfen, ist erstaunlich – aber ihre Schauen werden immer mehr zu Demonstrationen für eine bessere Welt. Und doch wollen die Leute immer noch ihre Mode haben. Ihr Unternehmen, eines der wenigen unabhängigen der Modebranche, wirft Gewinn ab.

Alles, was es an Ehrungen einzusammeln gibt, hat sie bekommen: die Wahl zu einer der einflussreichsten Designerinnen aller Zeiten in den achtziger Jahren, zweimal britische Designerin des Jahres und 2006 eine Retrospektive im Victoria & Albert Museum, die danach sieben Jahre lange auf allen Kontinenten ausgestellt wurde.

Vivienne Westwood ist von der Wirkung ihrer Kleidung überzeugt: „Kleider können uns ein besseres Leben bescheren.“ Heute ist sie mit ihrer Mode Teil der Gesellschaft. Ganz einfach war es aber nie, mit ihr zu sprechen. Sie duldet keine Widerrede und ist immer felsenfest davon überzeugt, für die richtige Sache einzutreten. Das war schon zu ihrer Zeit in Berlin so. Sie nutzt jeden Auftritt, um über ein politisches Anliegen zu sprechen, ob das nun der Klimaschutz, Guantanamo, die Massenproduktion von Mode oder, wie unlängst, das Freihandelsabkommen TTIP ist.

Mittlerweile ist es fast unmöglich, ein wirkliches Gespräch mit ihr zu führen, stellte unlängst eine Reporterin des „Guardian“ fest. Ein Interview mit Westwood irritierte sie so sehr, dass die Unfähigkeit, Fragen zu beantworten, zum Hauptthema des Artikels wurde.

Bis 2000 lebte Vivienne Westwood in einer Sozialwohnung im Londoner Stadtteil Clapham. Erst ihr Mann, der Tiroler Andreas Kronthaler, überredete sie, in ein Anwesen im Queen-Anne-Stil umzuziehen. Die beiden lernten sich an der Kunsthochschule Wien kennen. Sie war die 47-jährige Professorin, er ihr 22-jähriger Student.

Im März zeigte Kronthaler seine erste eigene Kollektion in Paris. „Er ist der beste Designer der Welt“, sagte Vivienne Westwood danach. Schon lange entwirft das Paar die verschiedenen Westwood-Kollektionen gemeinsam. Das soll auch in Zukunft so bleiben, allerdings in geringerem Umfang. Nicht etwa aus Altersgründen, sondern der Umwelt zuliebe: „Es gibt ja von allem zu viel auf der Welt.“

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