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© dpa

„Vogue“: Der langsame Abstieg der Anna Wintour

Seit 20 Jahren schwingt die "Vogue“-Chefin ihr mächtiges Zepter. Jetzt wird sie demontiert.

Es war eine seltsame Augenweide: Hier Anna Wintour, die eiserne Lady der Haute Couture, in einem großkarierten Prada-Kleidchen, das als Tischtuch verwendet werden könnte. Neben ihr: Georgio Armani, wie frisch aus dem Sonnenstudio. Und hinter den beiden Mode-Ikonen die gigantische Figur eines düsteren Batman. Der Ort war eine Pressekonferenz in Mailand anlässlich einer neuen Ausstellung im New Yorker Metropolitan Museum of Art namens „Superheroes“. Ein Titel, der sich – wohlgemerkt – weder auf Armani und dessen milliardenschweres Mode-Imperium noch auf die Modepäpstin bezog.

Die beiden sind nur die Vorsitzenden der Ausstellung. Schlagzeilen machten sie dennoch. Denn Armani tat, was nur wenige in der Modewelt wagen: Er feuerte eine Salve gegen Wintour, die ebenso einflussreiche wie gefürchtete Chefin der amerikanischen „Vogue“.

Er wisse gar nicht, so plauderte Armani mit kaltem Lächeln auf Italienisch, warum so viele Leute Wintour nicht ausstehen können. „Mir ist sie egal.“ Ein Raunen ging durch die Reihen der Reporter. Armani legte nach. „Ich habe gehört, dass sie (Wintour) das Ende der Ära Armani ausgerufen hat. Ich hoffe, dem war nicht so.“

Was wie die Revanche eines mißgelaunten älteren Herrn aussah, hatte noch ganz andere Gründe: Die „Vogue“-Chefin, ob ihrer frostigen Art auch „Nuclear Wintour“ genannt, hatte die gesamte Branche verärgert. Sie hatte von den Italienern verlangt, die Modewoche in Mailand von sieben auf vier Tage zu kürzen. Der Effizienz und Kosten für die anreisenden Moderedakteure wegen, argumentierte sie. Wintour, der Hollywood vor zwei Jahren einen gar wenig schmeichelhaften Film – „Der Teufel trägt Prada“ – widmete, setzte sich tatsächlich durch.

Das verletzte italienische Ego erklärt jedoch nur einen Teil des Showdowns in Mailand. Für die Modehäuser ist der amerikanische Markt so wichtig auch nicht mehr. Es wird geschätzt, dass dieser 2008 nur um sechs Prozent wächst, während in Asien die Zuwachsrate bei 15 bis 20 Prozent liegt. Hier liegt die Zukunft. So ist es auch kein Zufall, dass sich in die Entwürfe immer mehr asiatische Elemente einschleichen.

Nicht nur wird Armani in diesem Jahr zwei Läden in Neu-Delhi eröffnen. Die Chinesinnen, stilunsicher nach Jahrzehnten kommunistischer Indoktrinierung, werden modebewusster und versprechen einen Riesenmarkt. Und die neue Geldelite in Russland gibt Milliarden für Mode aus.

Für Wintour kommt eine weitere Herausforderung hinzu. Die Doyenne der Modewelt mit einem Jahresgehalt von zwei Millionen Dollar kommt selbst in die Jahre. Sie hat zwar die US-„Vogue“ auf eine Auflage von 1,3 Millionen Exemplaren gepusht, die 58-Jährige mit dem akkuraten Haarschnitt einer Hecke und der übergroßen Sonnenbrille steht immerhin schon zwei Dekaden dem Magazin vor. Doch die Konkurrenz aus dem eigenen Haus schläft nicht. Carine Roitfeld, die junge Chefredakteurin der französischen „Vogue“, so wird kolportiert, möchte Wintour beerben. So kritisierte sie Wintour als „uniformierte Marionette“. Und aussehen wie eine „leere Hülle“, wolle sie schon gar nicht. Dass sie sich solche freche Sprüche auszusprechen traut, ist für Beobachter ein sicheres Zeichen, dass Wintour sich im Abstieg befindet.

Negativschlagzeilen produzierte Wintour auch im Januar, als sie Hillary Clinton abkanzelte. Die hatte ein Porträt für „Vogue“ mit dem Argument abgesagt, sie wolle kein allzu „feminines“ Image projizieren. „Margaret Thatcher hat großartig in einem Hosenanzug ausgesehen“, bekrittelte die Modezarin den Stil Clintons. „Aber das war vor 20 Jahren.“

Hillary war nicht begeistert.

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