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Panorama: Vom Winde verweht

Bei einem Extrem-Marathon in England waren während eines Unwetters 1700 Läufer vermisst – aber sie überlebten

Die 2500 Teilnehmer am härtesten Ausdauertest, den der britische Volkssport zu bieten hat, kamen am Wochenende voll auf ihre Kosten. Der Extremmarathon im romantischen, wilden Bergland des Lake Districts musste wegen extremer Wetterbedingungen abgebrochen werden. Am späten Samstagabend schickte die BBC die Sensationsschlagzeile um die Welt: „1700 Marathonläufer in den Bergen verschollen“. Am Samstag morgen qaren die Teilnehmer des „Original Mountain Marathon“ (OMM) bei trockenem, aber extrem windigen Wetter gestartet und hatten schon Schwierigkeiten, ihre Landkarten und Kompasse festzuhalten.

Stunden später setzten sintflutartige Regenfälle ein. „Wir kamen nicht vor und nicht zurück. Aus Bächlein wurden im Handumdrehen schnell reißende Ströme. Überall entstanden wie aus dem Nichts Wasserfälle“ berichteten Teilnehmer. „Es waren die schlimmsten Bedingungen, die wir je erlebt haben“, berichtete die 54-jährige Liz Campbell, die mit ihrem 61-jährigen Ehemann an dem Gebirgsmarathon teilnahm.

Beide seien erfahrene Bergwanderer, betonte Liz in einem Internet Forum der BBC. „Einmal wurden, wie, als wir einen Fluss überqueren wollte, vom Wind einfach umgeworfen. Aber es war ein großartiger Tag“. 30 Stunden lang herrschte im Hauptquartier der Veranstalter in Seathwaite bei Keswick absolutes Chaos – nicht zuletzt, weil der Ort durch die Springfluten abgeschnitten war. Dabei hatten die Wetterfrösche präzise vorausgesagt, was passieren würde: „Starke, teilweise böige Winde mit Geschwindigkeiten bis über 100 Meilen, schwere, andauernde Regenfälle, dichter Nebel in Lagen zwischen 400 und 700 Metern, in Höhenlagen Frost“.

Am Sonntag Abend waren noch drei Teilnehmer an dem Extremmarathon vermisst. Unklar war, ob sie einfach nach Hause gefahren sind, ohne ihre Meldekarten abzugeben – oder ob es sich um Bergnotfälle handelt.

Rettungshubschrauber der Royal Air Force waren im Einsatz. Sie konnten erst am Sonntag Nachmittag die Suche über der 80 Kilometer langen Rennstrecke aufnehmen. Doch der Streit um die Veranstaltung war bereits voll im Gange. „Dies war das schlimmste Wetter seit 42 Jahren. Die Organisatoren gehören erschossen“, wetterte Mark Weir, der am Honister Pass ein Schieferbergwerk betreibt und Hunderten der Teilnehmer in der Nacht Zuflucht bot. Der Honister Pass liegt zwar nur 356 Meter über dem Meeresspiegel. Die „Fells“, wie die kahlen und zerklüfteten Bergrücken des Lake District heißen, gehen zwar nur bis 900 Meter Höhe, sehen aber wie Hochgebirge aus und sie sind nicht weniger gefährlich als Berggipfel in Tausenden von Metern Höhe in anderen Gebirgen. „Selbstverantwortung ist in unserer Zeit kein beliebtes Konzept. Wenn 900 Menschen ohne Kontakt in den Bergen sind, heißt es gleich, sie seien in Gefahr“, schrieb Blogger Rob Howard auf der Homepage des „Original Mountain Marathon“.

Die Veranstaltung will Teamwork und Selbstverantwortung testen. Die Teilnehmer seien erfahrene Bergläufer mit guter Ausrüstung, betonte Chris Biggs, der Notfall-Koordinator des Rennens. „Wer sich beim Aufstieg an die Ausrüstungsvorschriften hielt, dem sollte nichts passieren“. Vorgeschrieben sind Zelte und Bodenplanen, Lebensmittel für 36 Stunden, Kochausrüstung, wetterfeste Kleidung, Kopflampen und Erste-Hilfe-Ausrüstungen.

Der „Original Mountain Marathon“ wurde zum ersten Mal 1968 veranstaltet und ist eine Kombination von Bergrennen und Orientierungslauf. Teams von jeweils zwei Personen nehmen an dem 36 Stunden-Rennen über knapp 50 Meilen teil. Erst am Start erhalten sie die Route. Handys oder GPS-Ortungssysteme sind nicht erlaubt. Der Oktober wird ganz bewusst als Zeitpunkt gewählt, damit „das Wetter die Herausforderung erweitern kann“. Das Konzept hat Nachahmer in Norwegen und in den Alpen gefunden. Im Juli wurde ein Extremberglauf auf die Zugspitze wegen eines Wettersturzes zur Katastrophe. Zwei Männer starben, sechs weitere Sportler wurden mit Unterkühlungen ins Krankenhaus eingeliefert. Die meisten Teilnehmer unterstützten die Veranstalter. „Mein Teampartner Ian wurde vom Wind in die Luft gewirbelt. Ich dachte, er sei für immer weg“, berichtete der 43-jährige Teilnehmer Tony Gates. „Aber mir hat das die Lust nicht verdorben. Es herrscht da draußen eine ungeheure Kameradschaft und wir können unseren Kindern was erzählen“.

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