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Sieger Andreas Kümmert nahm die Wahl nicht an und gab den Startplatz an Ann Sophie

© dpa/Britta Pedersen

Update

Vorentscheid Eurovision Song Contest: Sieger Andreas Kümmert will nicht zum ESC - Ann Sophie singt in Wien

Beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC) gab es eine Überraschung: Sieger Andreas Kümmert verzichtete auf das Ticket nach Wien und reichte es an die Zweitplazierte Ann Sophie weiter. Der NDR verteidigt Moderatorin Barbara Schöneberger.

Von Andreas Oswald

Der Sieger des deutschen Vorentscheids des Eurovision Song Contest, Andreas Kümmert, hat sich nach seinem Triumph geweigert, die Wahl anzunehmen. Er fand, dass seine Konkurrentin, die zweitplatzierte Ann Sophie, besser sei. Er sah sich offenbar der Situation nicht gewachsen.

"Ich bin nicht wirklich in der Verfassung, diese Wahl anzunehmen", sagte der 28-Jährige. Er glaube nicht, dass er es so gut könne wie Ann Sophie. Die 24-Jährige hat Respekt vor Andreas Kümmerts Entscheidung. „Ich finde es megamutig, dass er in dem Moment so auf sein Herz gehört hat“, sagte die 24-Jährige am Donnerstagabend.

Moderatorin Barbara Schöneberger sagte, sie könne Kümmert wohl nicht mehr umstimmen. Damit endete die live aus Hannover in der ARD übertragene Show „Unser Song für Österreich“ mit einem schalen Beigeschmack. Schöneberger erklärte in einer spontanen Reaktion Ann Sophie zur deutschen ESC-Teilnehmerin. "Du fährst jetzt nach Wien", sagte Schöneberger ohne weitere Absprache mit den ARD-Verantwortlichen.

Der NDR verteidigt das Handeln von Schöneberger. „Für den abstrakten und unerwarteten Ausfall eines Kandidaten hatten wir immer über das Prinzip des Nachrückens gesprochen“, teilte NDR-Sprecherin Iris Bents der Deutschen Presse-Agentur mit. „Daher gab es in dieser unvorhersehbaren Situation eine Entscheidungsgrundlage und -freiheit für Barbara Schöneberger.“ Sie habe in der Situation "das einzig Richtige getan, denn Ann Sophie hat die Stimmen vieler Anrufer erhalten, sonst wäre sie nicht bis ins Finale durchmarschiert.“

Die Sendung verfolgten am Donnerstagabend 3,20 Millionen Menschen. Das entspricht einem Marktanteil von 10,3 Prozent. Im Vorjahr waren es noch 3,95 Millionen gewesen. Im Jahr 2010, als Lena Meyer-Landrut erstmals ESC-Kandidatin wurde, waren 4,5 Millionen am Schirm dabei.

In einer Pressekonferenz nach dem Vorentscheid gratulierte ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber der Siegerin. "Wenn jemand sagt, er kann nicht, dann muss man das respektieren", sagte er zu der Entscheidung von Andreas Kümmert.

Unmut bei den Zuschauern

Das Publikum reagierte auf den Rücktritt Kümmerts mit Buh-Rufen. Die Hamburgerin Ann Sophie, die in New York ihre Musikkarriere startete, hatte sich im Februar beim ESC-Clubkonzert die Wildcard für den deutschen Vorentscheid gesichert. Sie wurde in London geboren und ging mit 20 nach New York, um Schauspiel zu studieren. Daneben startete sie ihre Musikkarriere, sang in Bars und nahm ihre ersten selbst geschriebenen Songs auf.

Kümmert, ein pummeliger Brillenträger aus Bayern, war zuvor als Sieger der Castingshow „The Voice of Germany“ bekannt geworden. Kümmert war am Mittwochmittag mit hohem Fieber beim Arzt gewesen, sollte aber bis zur Show wieder fit werden. „Wir haben jemanden, der sich um ihn kümmert“, versicherte Schöneberger.

Ähnlichkeit mit Lena Meyer-Landrut

Die 24 Jahre alte Ann Sophie hat nun die Chance, sich beim ESC-Finale am 23. Mai in Wien vor einem Millionenpublikum zu präsentieren. Die Hamburgerin bezeichnet sich selbst als „Rampensau“, sie versprüht natürlichen Charme und wirkt echt. Im Auftreten erinnert sie an Lena Meyer-Landrut, die 2010 den Eurovision Song Contest für Deutschland gewann.

Im vergangenen Jahr hatte die österreichische Vollbart-Diva Conchita Wurst in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen gewonnen. Mit ihrem Titel "Rise like a phoenix" holte sie den Wettbewerb damit erstmals seit dem Sieg von Udo Jürgens im Jahr 1966 wieder nach Österreich.

Newcomerin Ann Sophie wird Deutschland in Wien vertreten
Newcomerin Ann Sophie wird Deutschland in Wien vertreten

© dpa/Peter Steffen

Auftritt von Conchita Wurst

Musikalische Gäste außer Konkurrenz waren in Hannover der Chartstürmer Mark Foster („Flash mich“) sowie die Schweizer Pop- und Soulsängerin Stefanie Heinzmann. Die Show eröffnet hatte Conchita Wurst. Die bärtige Dragqueen aus Österreich wirbt seit ihrem ESC-Triumph weltweit für Toleranz. In Hannover hat Wurst zum ersten Mal ihren neuen Song vorgestellt.

Seit 1956 geht der europäische Sängerwettstreit jedes Jahr über die Bühne, bei der 60. Jubiläumsausgabe darf einmalig Australien mitmachen. Deutschland hat mit Nicole (1982) und Lena Meyer-Landrut (2010) zweimal gewonnen.

Die Bandbreite der Kandidaten im Vorentscheid reichte von mittelalterlichen Klängen (Faun) über Elektronik (Laing) bis hin zur deutschsprachigen Ballade (Alexa Feser). Die 35-jährige Alexa Feser hat vor gut vier Monaten ihr erstes Album herausgebracht und ist jetzt sogar für einen Echo nominiert. Dass sie auf Deutsch singt, ist für die Wahl-Berlinerin kein Nachteil. „Die Musik kennt keine Sprache. Hauptsache ist, dass man echte Gefühle zeigt und glaubwürdig ist“, sagte sie im dpa-Interview.

Wer den ESC kennt, der weiß, dass neben Gesangskunst und Auftreten auch eine mehr oder minder große Skurrilität der Kandidaten im Finale eine Rolle spielen kann. Und da steht fest, dass andere Länder die Nase vor Deutschland haben werden. Australien etwa, das wegen seiner in den vergangenen Jahrzehnten demonstrierten Leidenschaft für den europäischen Wettbewerb ein Sonderstartrecht bekam und so auf einen Exotenbonus beim Publikum hoffen darf. Ob Deutschland da mithalten und zumindest mal wieder die Top Ten erreichen kann, wird sich Ende Mai zeigen - nach den Enttäuschungen der beiden Vorjahre gibt es viel Luft nach oben.

Australien schickt Guy Sebastian

Australien schickt den Popstar Guy Sebastian nach Wien. Der 33-Jährige, der im Jahr 2003 die Fernseh-Castingshow "Australian Idol" gewonnen hatte und es seitdem mit sechs Singles auf Platz eins der Charts schaffte, wurde am Donnerstag als Kandidat vorgestellt. Er sei "total begeistert", sagte Sebastian. "Vor so einem Publikum trittst du nicht jeden Tag auf - 200 Millionen".
Das ESC-begeisterte Australien, das den Musikwettbewerb seit 30 Jahren überträgt, war im Februar zum 60. Eurovision Song Contest eingeladen worden. Es darf direkt am Finale teilnehmen und dort mit einer eigenen Nummer gegen die übrigen 39 Konkurrenten antreten. Welchen Song Sebastian in Wien singen wird, steht noch nicht fest. Das Lied müsse Australien "als Nation repräsentieren" und gleichzeitig "lustig oder ergreifend" sein, sagte der in Malaysia geborene Sänger. Er wünsche sich etwas "Superlustiges oder eine große Ballade". (Tsp)

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