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Panorama: Vorgelesen: Hellmuth Karasek über Heinrich Manns Roman "Der Untertan"

Dietrich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt." Mit diesem Satz über einen Weichling, der es zur Verkörperung des deutschen Wilhelminismus und zur Schlüsselfigur der deutschen Katastrophen im 20.

Dietrich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt." Mit diesem Satz über einen Weichling, der es zur Verkörperung des deutschen Wilhelminismus und zur Schlüsselfigur der deutschen Katastrophen im 20. Jahrhundert bringen sollte, beginnt Heinrich Manns 1914 vollendeter, aber erst nach Ende des Ersten Weltkrieges veröffentlichter und nach Ende des Zweiten Weltkriegs von Wolfgang Staudte kongenial verfilmter Roman "Der Untertan". Er gilt zu Recht als das satirische Hauptwerk über den nach oben buckelnden und nach unten tretenden Erfolgstyp Deutschlands: Heinrich Mann erkannte boshaft hellsichtig, dass der Erfolg des Untertans Heßling der adäquate Spiegel des deutschen Misserfolgs ist. Heßling, ein Provinzspießer und Fabrikantensohn, der nach oben eher kriecht als schreitet, Konkurrenten durch Intrigen und Denunziationen erledigt, reich heiratet, durch Anpassung triumphiert, ist eine rückgratlose und darum gefährliche deutsche Inkarnation - Tucholsky hat das Buch als "Herbarium des deutschen Mannes" und "Anatomieatlas des Reiches" gerühmt. Und Heinrich Mann beschreibt in seinem Roman, der in seinem Sarkasmus an die (gleichzeitigen) Spießer-Satiren Carl Sternheims erinnert, den Niedergang der ohnehin schwach entwickelten Gegenbewegung deutschen liberalen Demokratie-Bewusstseins: Am Schluss sitzt, mit Wilhelm Busch zu sprechen, "der größte Lump obenauf".

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