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Panorama: Wäre Jesus ein Drei-Liter-Auto gefahren?

Kirchliche Kreise in den USA machen Front gegen den enormen Spritverbrauch im Land – mit göttlicher Hilfe

Es ist eine Frage nur, eine einfache Frage. Aber inzwischen bewegt sie Millionen von Amerikanern. „What would Jesus drive?", steht auf einer Zeitungsannonce, die in dieser Woche in mehreren US-Bundesstaaten geschaltet wurde. Links ist ein Autobahnkreuz zu sehen, mit Hunderten von Autos, rechts blickt ein versonnener Jesus über die dreckigen Abgase. Im Text wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen Frömmigkeit und Ökologie. „Wie kann ich meinen Nächsten lieben wie mich selbst, wenn die Abgase meines Wagens dessen Lungen verpesten?“

Gleichzeitig mit der Anzeigenkampagne wurden Hunderttausende von Briefen versandt und noch mehr E-Mails. Werbespots laufen landesweit auch übers Radio und im Fernsehen. „Der Benzinverbrauch ist eine Frage der Moral und des Glaubens", sagt Pastor Jim Ball.

Er ist der Direktor des „Evangelival Environmental Networks", einer streng bibeltreuen Organisation, für die der Umweltschutz oberste Priorität hat. Das klingt exotisch, doch in den USA steht sie mit ihrem Anliegen nicht alleine. Es gibt Dutzende von christlichen Gruppen, deren Mitglieder aus ihrem Glauben den unmittelbaren Auftrag ableiten, die Schöpfung zu bewahren. Die meisten haben sich in einer ökumenischen Dachorganisation zusammengeschlossen, die sich „Interfaith Climate and Energy Campaign“ nennt. Aus der wiederum ist die „National Religious Partnership for the Environment“ hervorgegangen.

Amerikaner sind religiös. Mehr als neunzig Prozent von ihnen glauben an Gott. Fast die Hälfte geht mindestens einmal pro Woche in die Kirche. Ein Atheist könnte dort niemals Präsident werden. Die stärkste Religion ist das Christentum. Was Christen daher in Gottes Namen fordern, hat Gewicht. In einem gemeinsamen Brief an die großen amerikanischen Automobilhersteller haben jetzt etliche religiöse Organisationen eine drastische Drosselung des Treibstoffverbrauchs gefordert. Zu den Unterzeichnern gehören die Evangelikalen Lutheraner ebenso wie die Episcopalians, die Serbisch-Orthodoxe Kirche und das „American Jewish Committee".

Ökologie in den Händen der Frommen

Mit ihrem Anliegen schwimmen sie bewusst gegen den Strom. Besonders viel Benzin schlucken die so genannten SUVs (Sport Utility Vehicles). Das sind jene beliebten, großen Familienkutschen, von denen im vergangenen Jahr in den USA erstmals mehr verkauft wurden als von den herkömmlichen Modellen. Finanziell ist der hohe Verbrauch für die Amerikaner kein Problem. Ein Liter Benzin kostet im Durchschnitt 40 Cent. Das Problem: Ein Viertel der Schadstoffe weltweit, die für die globale Erderwärmung verantwortlich sind, wird in den USA produziert. Die katholische Kirche hält das seit längerem für einen Skandal, auf den dringend reagiert werden müsse. Und zuletzt im Februar haben mehr als 1200 Priester und Pastoren einen Brief an alle Senatoren verfasst und um konkrete Maßnahmen gebeten, mit denen sich der allgemeine Giftgasausstoß reduzieren lässt.

Der Druck nimmt zu. In den USA ist die Ökologie zunehmend fest in den Händen der Frommen. „Jesus hätte von seinen Anhängern verlangt, die allersaubersten Autos zu fahren“, sagt Jim Ball. „Ganz sicher wäre es ihm am liebsten gewesen, wenn wir öffentliche Verkehrsmittel benutzen würden.“ Wie ernst die Kampagne genommen wird, zeigt die Bereitschaft der Vorstandsvorsitzenden von „Ford“ und „General Motors“, die Gläubigen anzuhören. Das Treffen fand am vergangenen Mittwoch in Detroit statt. Am selben Tag überraschte das „Wall Street Journal“ seine Leser auf der ersten Seite mit der Schlagzeile: „Die Bush-Regierung erwägt Maßnahmen, um den Benzinverbrauch von SUVs zu senken“. Neben ökologischen Gründen wird für den plötzlichen Gesinnungswandel der Wunsch angeführt, die Abhängigkeit des Landes von Öl-Importen zu verringern. Bis heute sind die USA der weltweit größte Abnehmer für irakisches Öl. Doch billig abfertigen lassen sich die Gläubigen nicht. Die Vorschläge der Regierung seien dermaßen belanglos, „dass sie einer Beleidigung gleichen", schimpft Ron Snider, der Gründer des „Evangelical Environmental Networks". Der demokratische Senator John Kerry wiederum, ein möglicher Präsidentschaftskandidat, hat das Thema ebenfalls entdeckt. Die Bush-Pläne seien Augenwischerei, sagt er und fordert eine Halbierung des zulässigen Benzinverbrauchs für SUVs.

Kaufempfehlung von der Kanzel

Gerade weil sie mehr und mehr Gehör finden, setzen die Frommen ihre Kampagne unvermindert fort. Allen Pastoren wird empfohlen, den Umweltschutz in ihren Predigten zu thematisieren, viele Geistliche bilden sich bereits zu Öko-Experten aus. Als Trumpf haben die Evangelikalen außerdem eine weitere Drohung im Köcher.

Vor allem japanische Automobilhersteller, wie Honda und Toyota, produzieren schon jetzt SUVs mit relativ niedrigem Benzinverbrauch. Falls Ford und General Motors nicht nachziehen, könnten die Gläubigen von der Kanzel demnächst eine eindeutige Produktempfehlung zu hören bekommen. Wen Gottes Wort nicht überzeugt, der muss die Botschaft eben in seiner Brieftasche spüren.

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