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Sowohl was die Aufbewahrung als auch den Erwerb von Schusswaffen angeht, müssen sich Jäger, Sport- und Freizeitschützen seit 2009 an verschärfte Gesetze halten.

© Jens Kalaene/ dpa

Waffen in Deutschland: Hobby unter Aufsicht

Knapp sechs Millionen legaler Schusswaffen sind hierzulande im Umlauf. Seit dem Amoklauf von Winnenden 2009 gelten für ihre Besitzer schärfere Regeln.

Er jährt sich jetzt, der 11. März 2009. Es ist der Tag, an dem Tim Kretschmer beschloss, dem Leben von 15 seiner Mitmenschen ein Ende zu setzen. Im Anschluss daran nahm er sich sein eigenes. Der Siebzehnjährige aus dem baden-württembergischen Winnenden war verzweifelt, fühlte sich missverstanden von seinen Lehrern, gehänselt von seinen Mitschülern. Darum griff er zur Waffe. Einer Waffe, die seinem Vater Jörg gehörte. Einer Waffe, Typ Beretta 92, die der passionierte Sportschütze unverschlossen in seinem Schlafzimmer aufbewahrte.

Winnenden löste eine politische Debatte aus

Im Anschluss an den Amoklauf entbrannte eine hitzige Debatte in Deutschland. Eine eigens eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe beriet darüber, welche Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen werden müssten. Die Experten kamen überein, dass der unbefugte Zugriff auf Schusswaffen stärker erschwert werden müsse, insbesondere für Minderjährige. Die Folge: Eine Novellierung des Waffenrechts, noch im selben Jahr. Unter anderem wurden die Bedingungen zur Aufbewahrung strikter geregelt. Schon vor 2009 war im Gesetz festgeschrieben, dass Waffen und die dazugehörige Munition nur getrennt voneinander aufbewahrt werden dürfen. Außerdem müssen sie qua Gesetz in "Sicherheitsbehältnissen" wie Waffenschränken oder Tresoren gelagert werden. Dass sie sich an diese Regelungen halten, müssen Waffenbesitzer den zuständigen Behörden in den Ländern nachweisen, etwa durch "Vorlage von Kauf- bzw. Installationsbelegen geeigneter Sicherheitsbehältnisse oder technischer Sicherheitsvorkehrungen", heißt es auf der Internetseite des Bundesministeriums des Innern (BMI).

Novellierung des Waffengesetzes

Die Gesetzesänderungen, die am 25. Juli 2009 als Folge der Katastrophe von Winnenden in Kraft getreten sind, beinhalteten mehrere Neuerungen. Zum einen wurde die Altersgrenze für das Schießen mit sogenannten großkalibrigen Waffen angehoben: Jugendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen – bis auf wenige Ausnahmen – nicht mehr mit solchen Waffen schießen. Außerdem muss, wer eine Waffe erwerben will, nun schon bei der Antragstellung für eine Besitzererlaubnis nachweisen, dass er sie auch ordnungsgemäß aufbewahren kann.

Behörden müssen nicht mehr "als Waffenhändler agieren"

Auch die Überwachungsmöglichkeiten der Behörden wurden durch die Reform von 2009 gestärkt: Sie können nun fortlaufend prüfen, ob bei einzelnen Waffeneigentümern wirklich das Bedürfnis besteht, eine solche zu besitzen – zuvor war eine derartige Überprüfung nur alle drei Jahre erlaubt. Ziehen die staatlichen Stellen heute eine Waffe ein, dürfen sie sie außerdem vernichten und sind nicht mehr verpflichtet, sie aufzubewahren und möglicherweise irgendwann wieder auszuhändigen. So seien Behörden nicht mehr gezwungen, "als Waffenhändler zu agieren", heißt es auf der BMI-Internetseite.

Die "Faszination Schießsport"

Doch das Thema "Waffen" steht nicht nur im Zusammenhang mit Gewalttaten wie dem Amoklauf von Winnenden. Der Schießsport und auch die Jagd sind für viele Menschen faszinierend. Die 22-jährige Studentin Jacqueline Orth ist seit ihrem elften Lebensjahr im Schießsport aktiv. 2011 wurde sie Junioren-Europameisterin in der Disziplin "Sportgewehr 3x20", 2014 Zweite bei den Europameisterschaften. Für sie ist das Schießen kein Ausdruck von Gewalt, sondern eine Sportart, der eine ganz besondere Faszination innewohnt.

Vorurteile sind an der Tagesordnung

Besonders die Kombination aus "spezieller Kondition, allgemeiner Kondition und Kopfarbeit" sei für sie eine außergewöhnliche Herausforderung, sagt Orth. Schon in der Schule habe sie früher von ihrem Training profitiert: Das Schießen habe sie deutlich konzentrierter und auch ehrgeiziger gemacht. Doch die junge Frau ist in ihrem Alltag oft mit Vorurteilen konfrontiert. Viele Menschen, sagt sie, seien der Meinung, das Sportschießen sei überhaupt kein Sport. "Wenn ich ihnen dann erkläre, was neben dem einfachen ‚Fingerkrummmachen’ noch alles dazugehört, revidieren sie ihre Aussage schnell wieder." Ihre Eltern hätten sie bei ihrer Leidenschaft stets unterstützt. Angst oder Sorge hätten sie nicht gehabt. Und Orth ist sich schon sicher: "Auch ich würde meine Kinder beim Schießsport unterstützen, wenn sie es selber wollen. Die Konzentrationsfähigkeit, die Kinder dabei entwickeln, ist nicht nur im Sport selbst ein Vorteil. Sie wirkt sich auch positiv auf alle anderen Lebensbereiche aus."

Julia Beil

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