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Panorama: „War on christmas“ in den USA?

Weihnachtskarten werden zum Politikum – aus Sorge um die christlichen Werte

Fast jeder möchte sie bekommen: eine Weihnachtskarte vom Präsidenten. Die signalisiert Bedeutung. 1,4 Millionen Feiertagsgrüße verschickt das Weiße Haus jedes Jahr im Namen George W. Bushs. Diesmal haben einige seiner treuesten Anhänger die Post jedoch umgehend in den Papierkorb befördert – behaupten sie jedenfalls, wie zum Beispiel Joseph Farah, Chefredakteur der konservativen Internetseite WorldNetDaily.com. Das Wichtigste fehle: „Frohe Weihnachten!“

Auch William A. Donohue, Präsident der Katholischen Liga für Religions- und Bürgerrechte, klagt. Der Präsident nenne sich einen „reborn christian“: einen Mann, den Gott zur Lebensmitte vor dem Absturz in den Alkoholismus bewahrt und auf den rechten Weg zurückgeführt habe. „Die Karte ist der Beweis, dass die Regierung vor den schlimmsten Kultureinflüssen kapituliert hat.“

Kein Glückwunsch auf der präsidialen Karte? Oh doch, nur lautet der „Happy Holiday Season“. Das sei keine Neuerung, beschwört Laura Bushs Pressesprecherin Susan Whitson die Kritiker. Selbstverständlich feierten die Bushs, religiös wie sie sind, ganz christlich Weihnachten. Aber aus Rücksicht auf andere Religionen sei das Weiße Haus schon seit Jahren dazu übergegangen, konfessionsneutral ein „Frohes Fest!“ zu wünschen.

In den Kaufhäusern wie in der Politik tobt die Debatte – und so militarisiert, wie Alltag und Sprache in den USA oft sind, heißt es dann auch gleich, da werde ein „war on Christmas“ geführt, ein Krieg gegen Weihnachten. Tatsächlich geht es um die alte und immer wieder neue Frage Amerikas: Wie weit darf, wie weit muss Toleranz gehen? Viele Millionen US-Bürger sind Juden, Muslims, Buddhisten, Hindus oder anderen nicht-christlichen Glaubens. Natürlich machen sie fast alle mit beim großen Rummel und Konsumrausch, schon der Kinder wegen.

Um keine Kunden zu verlieren, schmücken die Kaufhäuser ihre Fassaden und Weihnachtsbäume also mit „Happy Holiday“-Wünschen und sprechen von „season sales“. Doch vielen Christen geht so viel „political correctness“ zu weit. Erste Gruppen drohen mit Boykott, wollen nur noch dort ihre Weihnachtseinkäufe machen, wo auch „Christmas“ draufsteht.

Baptisten-Pfarrer Frank Radcliff zum Beispiel ließ T-Shirts mit der Aufschrift „Can you say ,Merry Christmas’?“ drucken und über einen Bibel-Laden verkaufen. Bill O’Reilly vom konservativen TV- Sender „Fox News“ wittert eine Verschwörung der Agnostiker. Wer religionsneutral von „Fest“ und „Feiertagen“ rede, trage dazu bei, das Christentum aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Wo die Religion zurückweiche, breiteten sich Abtreibungen, Homo-Ehe, Prostitution, Drogen und Sterbehilfe aus.

Der Sprachkampf tobt in den Schulen: „Weihnachtsferien“ oder „Winterpause“? Und im Kongress bestand der Republikaner Dennis Hastert, Speaker des Abgeordnetenhauses, darauf, der mächtige saisonale Schmuck draußen vor dem Capitol sei ein Weihnachtsbaum – kein „Festtagsstamm“. Ähnlich in Boston, das jedes Jahr einen großen Nadelbaum aus der kanadischen Provinz Nova Scotia erhält. Für diese Debatte hatten auch die liberalen und stets US-kritischen Kanadier nur Spott übrig: Die Tanne habe Kanada als Weihnachtsbaum verlassen – wie konnte sie da als Festzeitbaum ankommen?

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