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Panorama: Warten auf Aschenbrödel

Ein tschechisches Fernsehmärchen ist zum Kult geworden – die Fans huldigen ihm nicht nur im Internet

Von Carsten Werner

Für die Schauspieler und Produzenten manch heiter-rührseligen Fernsehfilmchens zur Weihnachtszeit muss das wie ein schöner Traum klingen: Noch 30 Jahre nach der Erstausstrahlung warten die Fans monatelang fieberhaft auf die x-te Wiederholung – und können das Werk dann von Heiligabend bis zum zweiten Weihnachtstag von frühmorgens bis spätabends zu jeder Tageszeit erleben – vom österreichischen bis zum norwegischen Fernsehen, in Tschechien, der Schweiz und gleich zehn Mal auf verschiedenen Kanälen der ARD gibt es auch an diesem Weihnachtswochenende wieder „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“.

Am 26. Dezember 1975 wurde die tschechische Variante der Aschenputtel-Geschichte erstmals von der ARD ausgestrahlt. Für viele Deutsche gehört der Prager TV-Märchenfilm von Regisseur Václav Vorlícek seitdem zu Weihnachten wie „Dinner for One“ zu Silvester.

Und eine offenbar immer noch wachsende Fangemeinde beschäftigt sich das ganze Jahr über mit „3HfA“, wie der Titel verkürzt im Internet kommuniziert wird. Auf der Homepage www.dreihaselnuessefueraschenbroedel.de hat Kathrin Richter aus Meschede, bekennende Aschenbrödelianerin, alle Aktivitäten gesammelt, die Dreharbeiten und alle Mitwirkenden dokumentiert. Dazu bietet sie Hinweise auf Aschenbrödel-Reiterspiele und -Ballette, Rezepte und Handylogos.

Vor zwei Jahren haben die Fans Kontakt mit einem tschechischen Plattenlabel aufgenommen und mit beharrlichem Interesse die Produktion eines Original-Soundtracks erwirkt – für kurze Zeit schaffte der es sogar in die Top 100 der CD-Charts. Damit war auch Karel Gott gerettet, der im tschechischen Original die Titelmelodie singt. Den Deutschen wurde er vorenthalten, weil er hier in den 70er Jahren vorrangig mit „Biene Maja“ beschäftigt war. „Die Stimme von Karel Gott unter dem Vorspann, das ist dann doch zu viel“, befand damals der WDR-Redakteur Gert K. Müntefering – und ließ sie durch eine Oboe ersetzen.

Den Komponisten der Filmmusik, Karel Svoboda, dürfte diese Entscheidung mindestens zwei Goldene Schallplatten und saftige Gema-Einnahmen gekostet haben. Ihm huldigen die Fans auch auf ihre eigene Weise: Sie haben die Aschenbrödel-Melodien selbst eingespielt und in Dur und moll, als Dance-Version und als Handy-Klingelton zum Download ins Internet gestellt. Beim Tempo-Verlag in Wien kann man die Noten bestellen.

Gedreht wurde „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ 1972 teilweise in Sachsen, 15 Kilometer nordwestlich von Dresden auf Schloss Moritzburg – erst gab es keinen, dann viel zu viel Schnee. Mit dabei war auch der deutsche Schauspieler Rolf Hoppe. Auf der Moritzburg kann man heute heiraten – wie weiland Aschenbrödel.

„Ich weiß wirklich nicht, wie oft der Film bis heute vor allem in der Weihnachtszeit gezeigt wurde“, sagt Václav Vorlícek in einem dpa-Interview. Immer wieder werde er in Deutschland auf „Aschenbrödel“ angesprochen. Warum ausgerechnet die Deutschen so für Filme aus der ehemaligen Tschechoslowakei schwärmen, ist dem heute 75-jährigen Regisseur nicht ganz klar: „Es gibt eigentlich kein Geheimnis. Unsere Filme sind wie unsere Märchen – oft poetisch, meist lächerlich, ein wenig Horror, aber sonst ganz nett.“ Dabei ist sein Erfolg kein Einzelfall, auch andere Kinderfilme aus Prag besitzen in Deutschland Kult-Charakter – sei es Pan Tau, der elegant gekleidete Mann mit der Zaubermelone, oder Krtecek, der Zeichentrick-Maulwurf aus der „Sendung mit der Maus“.

Das Aschenbrödel-Jahr strebt jetzt seinen Höhepunkten entgegen: Auf dem Helvetiaplatz in Zürich findet heute ein großes weihnachtliches Open-Air-Kino statt. Und am 7. Januar veranstaltet Kathrin Richter auf Burg Bilstein bei Meschede die „Aschenbrödel-Party 2006“. Sie ist seit dem Sommer ausgebucht, für 2007 kann man sich noch anmelden.

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