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Panorama: Was geschah in dem kleinen Flugzeug ?

Vorwürfe von Angehörigen der mutmaßlichen Todesschützin nach dem Flgzeugabsturz bei Hannover VON STEFAN WITTKESind die Akten doch noch nicht geschlossen? Wer wußte wann wieviel über die Hintergründe eines der spektakulärsten Morde in der deutschen Kriminalgeschichte?

Vorwürfe von Angehörigen der mutmaßlichen Todesschützin nach dem Flgzeugabsturz bei Hannover VON STEFAN WITTKE

Sind die Akten doch noch nicht geschlossen? Wer wußte wann wieviel über die Hintergründe eines der spektakulärsten Morde in der deutschen Kriminalgeschichte? Über den mysteriösen Absturz der einmotorigen "Beechcraft" östlich von Hannover, bei dem im Oktober nach Schüssen auf den Piloten zwei Paare ums Leben kamen, wird weiter spekuliert.Nach offiziellen Angaben schoß die Freundin des Freundes des Piloten. Zuvor hatten die Ermittler abwechselnd alle drei anderen Insassen verdächtigt.Durch die Bekanntgabe immer neuer Verdächtiger hatte es unter Freunden und Angehörigen der Toten zum Teil heftige Diskussionen um das Vorgefallene gegeben.Dabei wurden offenbar auch alte Freundesbande zerstört.Jetzt erheben die Angehörigen der 41jährigen Berufsschullehrerin Ulrike Diesing, die sich nicht mit deren Täterschaft abfinden wollen, schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Hildesheim.Noch am selben Tag, als Oberstaatsanwalt Hans-Helmut Kehr Diesings Täterschaft bekanntgab, habe der Anwalt der Familie um Akteneinsicht gebeten.Dies sei mit der Begründung verweigert worden, daß noch keine Untersuchungsergebnisse vorlägen.Wenige Stunden später kam jedoch die offizielle Mitteilung, in der nach der Schußkanaluntersuchung des Landeskriminalamtes Ulrike Diesing "mit hoher Wahrscheinlichkeit" als die Todesschützin bezeichnet wurde.Deren Bruder fragt jetzt: "Informierte der Staatsanwalt die Öffentlichkeit, nachdem er nur kurz mit dem Gerichtsmediziner telefoniert hatte?" Sicher ist, daß die Mitteilung aus der Staatsanwaltschaft an die Presse ging, bevor die Polizei und Landeskriminalamt informiert wurden.Die Ermittler selbst mußten sich über den Rundfunk auf den neuesten Stand bringen.Die Angehörigen der Toten, des Piloten Hans-Peter Schiffmann, seiner Freundin Sabine Reineke, des Bekannten Rainer Binneweis und dessen Lebensgefährtin Diesing haben nach Worten ihres Bruders Hans Diesing noch immer keine offizielle Mitteilung erhalten.Weil die Untersuchungen doch noch nicht abgeschlossen sind? Kehr dementierte entsprechende Pressemeldungen.Allerdings mit einer Formulierung, die auch andere Schlüsse zuläßt: "Die Ermittlungen sind beendet.Aber die Akte ist noch nicht vollständig." Vor einigen Tagen sollen Kriminalbeamte in einer Maschine gleichen Typs versucht haben, die Ereignisse zu rekonstruieren und auf Video aufzuzeichnen.Nach Überzeugung des LKA spielte sich der Mord so ab: Ulrike Diesing saß hinten rechts in der Maschine.Sie drückte die Pistole vom Typ Walther gegen das rechte Schulterblatt des Piloten und gab einen Schuß ab.Eine zweite Kugel traf ihn im Hals, nachdem sie zuvor die linke Hand von Binneweis durchschlagen hatte, der rechts neben dem Piloten saß.Warum aber haben die Ermittler über eine Woche gezögert, die Schußkanäle in Schiffmanns Körper zu untersuchen, was eigentlich zum normalen gerichtsmedizinischen Handwerk gehört? Juristen fragen sich außerdem, warum die Ermittlungen überhaupt fortgesetzt worden sind, nachdem klar war, daß nur einer der vier umgekommenen Insassen geschossen haben konnte.Dazu wäre die Staatsanwaltschaft gar nicht verpflichtet gewesen: Tote können nicht mehr vor Gericht gestellt werden und mögliche zivilrechtliche Folgen wie Erbschafts- und Versicherungsstreitigkeiten sind nicht Sache der staatlichen Ermittler. Eigentlicher Grund für die weiter bestehenden Zweifel am Ermittlungsergebnis ist jedoch die nach wie vor offene Frage des Motivs, die den Staatsanwalt angeblich nicht mehr interessiert.Binneweis könnte völlig verzweifelt gewesen sein.Er war in dunkle Finanzgeschäfte verwickelt, hatte diese zwei Tage vor dem Todesflug der Staatsanwaltschaft in Hannover gestanden und mußte mit einem Prozeß rechnen.Außerdem gehörte ihm die Waffe.Sabine Reineke hatte sich während des Tagesausfluges auf Sylt heftig mit ihrem Liebhaber Schiffmann gestritten, galt als impulsiv und jähzornig.Ulrike Diesing, die geschossen haben soll, hatte allem Anschein nach überhaupt kein Motiv.Sie kannte den Piloten offenbar nicht näher, hatte auch nichts mit den Geschäften ihres Lebensgefährten zu tun, war als Berufsschullehrerin selbst beliebt und erfolgreich.Die Vorstellung, daß sich zwischen ihr und dem Piloten eine Liebesaffäre abgespielt haben soll, ist reine Spekulation.Es existiert offenbar auch nirgends ein Abschiedsbrief, der Aufschluß über das Tatmotiv geben könnte.Zudem kann nichts erkläre, wieso der Schütze auch den Tod Unbeteiligter in Kauf nahm.

STEFAN WITTKE

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