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Panorama: Was tun, wenn Schüsse fallen?

Polizei und Experten geben Empfehlungen für Zeugen

Ein Mann erschießt drei Menschen und geht in aller Ruhe weg, niemand hält ihn auf. So geschehen in Overath bei Köln. Wie sollen Nachbarn sich verhalten, die Schüsse hören und den mutmaßlichen Täter weggehen sehen?

„Auf keinen Fall einschreiten", sagt Winfried Roll, Leiter des Referats Vorbeugende Verbrechensbekämpfung im Landeskriminalamt Berlin. „In so einer Situation soll man in Deckung gehen, mit der Nummer 110 die Polizei verständigen und beobachten." Wichtig sei, woher die Schüsse kommen, wohin der Täter gehe und wie er aussehe. Wenn ein Beobachter des Verbrechens diese Informationen geben könne, sei es gut.

„Aber das Einschreiten unbewaffneter Zivilisten in so einem Fall ist keine Zivilcourage, sondern Leichtsinn und eine Dummheit", so Roll. Wolfgang Beus, Sprecher der Polizei in Köln, bestätigt diese Ansicht. Die Nachbarn, die den eventuellen Täter in Overath beobachteten, hätten absolut richtig gehandelt. „Sie haben die Polizei verständigt, alles weitere wäre in dem Fall pures Heldentum gewesen.“

Grundsätzlich sei es schwierig zu sagen, wie sich Beobachter eines Gewaltverbrechens verhalten sollen, so Beus. „Manche Menschen fühlen sich in der Lage, dazwischen zu gehen, wenn zum Beispiel ein Mensch mit einem Messer bedroht wird.“ Allerdings seien nur die wenigsten Menschen „kampferprobt“. Wer sich das nicht zutraut sollte auf jeden Fall die Polizei verständigen, laut rufen und andere Menschen auf die Situation aufmerksam machen.

„Wenn der Erste bei einer Gewalttat einschreitet, dann bricht erfahrungsgemäß das Eis und die anderen Menschen helfen auch“, sagt Dieter Schubert, Mitglied in der Kölner Projektgruppe „Kölner lassen keinen allein. Hinsehen. Handeln. Hilfe holen“. Das von der Kölner Polizei organisierte Projekt appelliert, Menschen in Not zu helfen und nicht wegzusehen. In Schulen, Kindergärten und anderen öffentlichen Einrichtungen informieren die Initiatoren über Möglichkeiten, bedrohte Menschen zu unterstützen. „Grundsätzlich gilt: Helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen“, so Schubert. Ein selbstbewusstes und gelassenes Auftreten sei wichtig, man dürfe sich nicht provozieren lassen und keine Waffen zeigen. Man solle lautstark auf die Situation aufmerksam machen und Personen gezielt um Unterstützung bitten. „Bei Ausschreitungen in U-Bahnen darf man keine Hemmungen haben, die Notbremse zu ziehen“, sagt Schubert. Eine der wichtigsten Handlungen ist auch für ihn der Griff zum Telefon – „die 110 ist in Telefonzellen immer gebührenfrei, falls man keine Karte oder Münzen zur Hand hat“.

Auch die „Aktion-Tu-was“ wirbt in ganz Deutschland für mehr Zivilcourage. Verantwortlich für die Initiative ist Reinhold Hepp, Geschäftsführer des bundesweiten polizeilichen Vorbeugungsprogramms. „Wichtig ist, dass Menschen sich schon im Voraus mit potenziellen Gefahrensituationen auseinander setzen“, so Hepp. Das sei das Ziel der Aktion, die auch Seminare und Rollenspiele zum Thema Zivilcourage anbietet. Denn nur wenn man die Handlungsoptionen verinnerlicht habe, könne man im Ernstfall einen kühlen Kopf bewahren und dem Gewaltopfer helfen. Dabei sei es nicht immer notwendig, selber einzugreifen, so Hepp. „Es gehört auch schon viel Mut dazu, sich auf einen Marktplatz zu stellen und laut um Hilfe zu schreien.“

Julia Ziegler

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