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Wegen Schweinegrippe: Kinderimpfstoff wird knapp

Schon wieder geraten Impfstoffe in die Diskussion. Dieses Mal gibt es nicht zuviel davon, sondern zu wenig. Impfstoffe für Kinder werden knapp. Schuld ist die Schweinegrippe

Schon wieder geraten Impfstoffe in die Diskussion. Dieses Mal gibt es nicht zuviel davon, sondern zu wenig. Impfstoffe für Kinder werden knapp. Gleich sieben Kinderimpfstoffe kann der Hersteller GlaxoSmithKline zurzeit nicht liefern. Manche werden voraussichtlich erst im April wieder lieferbar sein. Davon ist ganz Deutschland betroffen und im Grunde der gesamte Weltmarkt. Ursache sind unter anderem die Großbestellungen des Impfstoffs gegen die Schweinegrippe, der einen beträchtlichen Teil der Herstellungskapazitäten in Anspruch genommen hat. „Dass nun aufgrund der Herstellung dieser Pandemieimpfstoffe die Produktion einer Reihe wichtiger Kinderimpfstoffe heruntergefahren werden musste, das ist eine echte Katastrophe“, sagte Ursel Lindlbauer, Mitglied der ständigen Impfkommission des Bundes, der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Stimmung schwanke zwischen Unmut und Zorn. Es fehlten echte Alternativen, eine Vorwarnung habe es nicht gegeben.

Am größten ist die Aufregung derzeit beim Sechsfachimpstoff „Infanrix Hexa“. Denn den stellt nur GlaxoSmithKline her. Am 13. Januar hatte das Unternehmen das letzte Mal regulär die Großhändler mit dem Impfstoff beliefert. „Deren Vorräte reichen in der Regel noch zwei Wochen“, sagte Markus Hardenbicker, Sprecher von GlaxoSmithKline, am Sonntag. Am 25. Januar wurden dann noch einmal 34 000 Impfstoffdosen ausgeliefert, ein Bruchteil dessen, was normalerweise monatlich benötigt wird. „Wir bedauern das natürlich sehr“, sagt Hardenbicker, „man sollte die Sache aber auch nicht hochschaukeln“. Auch Hans Wolf, Leiter des Instituts für Mikrobiologie in Regensburg, hält die Aufregung für ein bisschen übertrieben: „So etwas kommt schon mal vor. Davon geht die Welt nicht unter“, sagte er am Sonntag. Eltern sollten sich keine Sorgen machen, sagt er. „Es gibt natürlich Alternativen. Statt des Sechsfachimpstoffes gibt es zum Beispiel einen Fünffachimpfstoff von Sanofi.“ Diesem Impfstoff fehlt lediglich die Komponente, die gegen Hepatitis B schützt. Die könne aber problemlos hinzugeimpft werden, sagt Ludwig. Und wenn man nicht sofort dagegen impfe, sei das auch nicht so schlimm, ergänzt Wolfgang Jilg von der ständigen Impfkommission. „Es gibt kaum einen Säugling bei uns, der eine Hepatitis-B-Impfung in dem Alter wirklich braucht. Man macht das eigentlich nur, weil viele Eltern das sonst später verschludern.“ Entscheidend seien die Impfungen gegen Haemophilus influenzae b und gegen Keuchhusten. „Dadurch sind Kinder akut gefährdet und dagegen muss im dritten Monat geimpft werden“, sagte Jilg.

Auch für den zweiten Impfstoff, den nur GlaxoSmithKline herstellt, Priorix Tetra, gibt es eine Alternative: Statt des Vierfachimpfstoffes gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken kann ein Dreifachimpfstoff genutzt werden. Die Windpockenimpfung kommt dann hinzu. „Wenn ein Arzt guten Willens ist und mitdenkt, dann kann er das ohne Weiteres umgehen“, sagt Jilg. „Problematisch wäre es nur, wenn Kinderärzte jetzt Impfungen verschieben würden, weil sie von ihren gewohnten Wegen nicht abweichen wollten.“ Ohnehin gibt es bei jeder Impfaktion zwei Effekte: Einerseits ist der Geimpfte vor einer Krankheit geschützt, andererseits genießen auch Nichtgeimpfte einen gewissen Schutz, wenn die Menschen um sie herum geimpft wurden und deswegen die Krankheit nicht übertragen. „Da in den letzten Jahren sehr sorgfältig geimpft wurde, ist die Gefahr also ohnehin gering“, sagt Wolf.

Dass es überhaupt zu den Verzögerungen kommen konnte, hat mehrere Gründe. Für den Sechsfachimpfstoff verweist GlaxoSmithKline auf eine „Umstellung der Qualitätsfreigabe“. Das habe dazu geführt, dass große Mengen der Komponente, die gegen das Bakterium Haemophilus influenzae gerichtet ist, nicht freigegeben wurden. Bei den anderen Impfstoffen sei vor allem die große Menge an Schweinegrippeimpfstoff schuld, die produziert wurde. „Wir stellen jedes Jahr 1,1 Milliarden Dosen Impfstoff her“, sagt Hardenbicker. „Im vergangenen Jahr mussten wir zusätzlich 400 Millionen Dosen Pandemrix herstellen. Das geht natürlich nicht ganz ohne Ausfälle an anderer Stelle.“ So musste das Puffersubstrat des Vierfachimpfstoffes Priorix Tetra in einer anderen Fabrik abgefüllt werden, weil die normalen Abfüllmaschinen auf den Schweinegrippeimpfstoff umgerüstet wurden. „Das führt zurzeit zu Verzögerungen, die noch eine Weile andauern könnten“, sagt Hardenbicker. Die Entscheidung für den Schweinegrippeimpfstoff sei aber richtig gewesen, weil es in der ersten Jahreshälfte noch so ausgesehen habe, als würde die Schweinegrippe sehr viel gefährlicher verlaufen. Dass es nun zu Ausfällen komme, sei ärgerlich, sagt Hardenbicker. Darauf habe man Kinderärzte, Kassen und wichtige Institutionen aber bereits am 15. Januar in einem Brief hingewiesen.

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