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Wein: Winzer befürchten sauren Jahrgang

Deutsche Winzer kämpfen gegen den nasskalten Herbst. Wird dies nach vielen guten Jahren der erste schwache Jahrgang, weil die guten Jahre als Folge der Klimaveränderung längst Normalität geworden sind?

„Kühle Polarluft“ – „in den Bergen zunehmend winterlich“ verkündet mitleidslos der Deutsche Wetterdienst. Die heimischen Winzer haben sich ihren Goldenen Oktober sicher ein wenig anders vorgestellt. Stattdessen ist es nass, kalt und grau in Deutschland, Graupelschauer fegen um die Hausecken. Kann das noch einen guten Wein geben? Gut zwei Drittel der Weinlese 2010 sind inzwischen abgeschlossen. Es wird ohne Frage ein schwieriger Jahrgang für die Winzer an Rhein, Main und Mosel. Der Trend: extrem niedrige Erträge, durchschnittliche Mostgewichte, hohe Säurewerte.

Da fragt sich mancher Weinfreund, ob 2010 wieder der erste „normale“ Jahrgang nach vielen außergewöhnlich guten Jahren ist. Oder wird dies doch der erste schwache Jahrgang, weil die guten Jahre als Folge der Klimaveränderung längst Normalität geworden sind? Der Pfälzer Spitzenwinzer Hans-Jörg Rebholz fühlt sich jedenfalls ein wenig an den Anfang der 90er Jahre erinnert. Und auch der fränkische Rotwein-Star Paul Fürst glaubt: „In den 90er Jahren wären wir mit solchen Mostgewichten noch zufrieden gewesen.“ Fürst hat bei Silvaner und Weißburgunder um die 85 Oechsle gemessen, das sind solide Kabinett- und Qualitätsweine. Was ihm mehr Sorgen macht, ist die „ernüchternde Menge“. Der Jahrgang 2010 zählt quer durch alle Anbaugebiete zu den mengenmäßig kleinsten der letzten 20 Jahre. Für Rebholz ist es sogar der niedrigste Ertrag seit 1978.

Ursache ist nicht nur die nach den Regenfällen notwendige harte Selektion im Weinberg, bei der die guten Winzer alle angefaulten Trauben auf den Boden werfen. Ursache ist auch der schwache Beerenansatz im Frühjahr. Fachleute sprechen von einer „Verrieselung“, wenn schlechtes Wetter dafür sorgt, dass schon die Blüten ausrieseln und die kleinen Beerenansätze vom Stielgerüst abgestoßen werden. Das Resultat sind locker gepackte kleine Trauben und Ertragsminderung.

Die kleine Menge sorgt jetzt dafür, dass es in den meisten Anbaugebieten zumindest keine großen Reifeprobleme gibt. Wenn der Rebstock nur wenige Früchte zu versorgen hat, kann er Zucker und andere Inhaltsstoffe höher konzentrieren. So hat das Lesegut trotz des nasskalten Wetters noch akzeptable Mostgewichte. Dafür sorgt auch die Edelfäule, die in diesem Jahr besonders stark ausgeprägt ist. Sie lässt die einzelnen Beeren wie Rosinen zusammenschnurren und bringt so zusätzliche Süße und Dichte in den Traubensaft. Dennoch: Von den Höhenflügen der Jahrgänge 2007 und 2009, als die Winzer aufpassen mussten, um nicht zu schwere Weine zu bekommen, sind wir weit entfernt. Dicke Spätlesen wird man in diesem Jahr vergeblich suchen.

Klaus Keller, Top-Winzer im rheinhessischen Flörsheim, sieht 2010 als „ein Jahr der Lagen“. Südhänge, die im nicht gerade sonnenverwöhnten Jahreslauf mehr Sonnenstrahlen eingefangen haben, seien jetzt deutlich im Vorteil. Aber noch sei das letzte Wort nicht gesprochen. Keller hat vor allem den spät reifenden Riesling noch am Stock hängen und hofft auf trockenes Wetter. „Dann ernten wir am nächsten Wochenende doch noch eine Auslese.“

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